Dienstag, 12. April 2022

What is it?

Was tust du heute?

Gehst du aus, schaust dir ein Theaterstück an?

Hochkultur

war dir immer schon wichtiger als

Popkultur.

Konzepte näher als Emotionen.

Denkst du.

Aber dann ist deine Arbeit so unglaublich illustrativ 

gefällig, dass ich nicht verstehe, wer du bist.

Du willst jemand anderes sein,

du willst mit jemandem sein, 

der ein Genie der Hochkultur ist.

Vermutlich bist du mit einem Dirigenten

oder sonstigem Philharmonieheini.

Habt interessanten Quälsex ohne Küssen.

Konzeptsex.

Bereist sonnige Länder, trefft tolle, interessante Menschen.

Esst interessante Sachen.

Lacht mit traurigen Augen, 

betrügt euch um euer Leben.

Ich wäre der Mensch gewesen.

Dein Mensch.

It's gotta be the love of my baby Yeah!

It's gotta be the love of my baby Yeah!

Heyhh!









Samstag, 29. Mai 2021

Dein Traum

 Das alte Hochhaus in der Stadtmitte,

braune Backsteine

gothic,

fremd,

eine alte, neue fremde Stadt,

amerikanisch,

in den Dreißigern aber auch heute.

Ich streife draußen umher, weiß, dass du dort drin bist.

Wünsche mir, dass du herauskommst.

Warte.

Stunden.

Die Sonne brennt.

Dann sinkt sie allmählich.

Schatten,

Wolken,

Alles ist leer.

Nur dieses Hochhaus

und sein langer Schatten.

Wie bei de Chirico oder Hopper.

Menschengebäude 

in der leeren 

Ewigkeit.

Endlich trittst du hinaus.

Ich eile zu dir, folge dir.

Du beschleunigst den Schritt.

Ich will bei dir sein.

An deiner Seite sein.

Mein Herz krampft zusammen,

dein Schritt beschleunigt sich.

Was ist mit dir?

Du wirst immer schneller.

Dreh' dich doch bitte zu mir!

Sieh mich an!

Bitte!

Schrotte hallen auf dem Pflaster.

Nacht fällt auf uns.






Mein Traum

An einem dunklen Frühjahrstag 

stehe ich

im Regen an einer Bushaltestelle

auf dem Land.

Der Bus nähert sich.

Große Scheibenwischer peitschen die Wassermassen

von den dunklen Scheiben.

Ein Stadtbus, kein Landbus.

Zischend öffnen sich die Türen.

Ich steige ein.

Ziemlich voll.

Alles Städter,

aber ich kenne niemanden.

Doch dann sehe ich dich.

Auf dem Sitz vor der leeren Stellfläche für Fahrräder und

Kinderwagen.

Soll ich tun, als hätte ich dich nicht gesehen?

Ich beschließe, zu dir zu gehen.

Du schaust mich an mit deinen braunen Augen.

Ich gehe vor dir auf die Knie.

Lege meinen Kopf auf deine Schultern, deren

Wohlgeruch ich nie vergessen werde.

Ich spüre, wie Tränen mein Gesicht herunterrennen und sage

etwas, noch nie, jedenfalls nicht unter Tränen zu jemandem sagte:

"Ich hab' dich so vermisst!"

Immer wieder:

"Ich hab' dich so vermisst!"





Donnerstag, 15. April 2021

Hussa

Die Autos 

gedämpft auf der Hauptstraße weit weg.

Ich schließe die Augen.

Liege.

Den Kopf, wo du mal deinen Kopf hattest.

Du bist schon lange nicht mehr in meinem Leben.





Donnerstag, 1. April 2021

Ratschlag

Ich denke oft an 
den Abend, als wir in der Pizzeria unserer Kleinstadt saßen
und hinter uns saß ein Paar, beide in den Vierzigern und sie schwiegen sich an.
Ich hatte Colabier getrunken und eine Calzone gegessen und fühlte mich 
heldenhaft und mutig und entschlossen
und ich sagte dir, dass wenn wir je so enden würden wie diese beiden,
dass es klüger wäre, uns zu trennen, als den ganzen Abend dazusitzen
wie diese beiden.

Und einige Monate später sagte mir meine Mutter, dass die Lehrerin meines
Bruders sich von ihrem Mann getrennt hatte, nachdem sie gehört hatte, was
ich in der Pizzeria gesagt hatte.

Was würde ich uns raten, als Zwanzigjähriger,
wenn ich uns so dasitzen sähe?




Sonntag, 21. März 2021

Wetterbericht

 Der Sturm

raubte unsere Sinne,

wütende Winde

schlugen gegen unsere Stirnen,

unerkannt standen wir nachts auf Straßen,

unter regengepeitschtem Licht

taumelten durch 

die Welt,

blind vor Verlangen 

und am neuen Morgen,

als die Wetter sich beruhigten und

wir sahen, dass die Zerstörung sich über das ganze Land erstreckte,

standen wir mit Tassen dampfenden Kaffees 

vor unserem Palast

und blickten durch  

entglasten

Fensterhöhlen

tief hinein 

in das weite, blühende, duftende,

erstaunliche Land

der Liebe. 






Mittwoch, 3. März 2021

Crystal

 Kristalle auf meinen müden Augen.

Feine, kleine Steine in Stoff gewickelt kühlen meine

Lider.

Deine Hände gleiten über mich wie die Schwingen eines

magischen Vogels.

Alle Anspannung fällt von mir ab, 

weicht aus mir.

Frühjahrssonne umhüllt meinen matten Körper.

Wie viele Jahre sind noch in mir?

Wie viel Kraft, den Weg zu finden?

Habe ich den Menschen, die ich liebe, mein Bestes gegeben?

Die Seele, gefangenen in einem langen Winter,

erwacht.

Violettblaues Licht strömt durch die dunklen Weiten meines Hirns und breitet sich aus

einige Minuten lang in nie erfahrener Intensität.

Wie ein kaltes, klares, warmes Nordlicht wandert es durch meinen Geist.

Etwas kommt. Es wird gut.






Dienstag, 2. März 2021

Frühjahr

 Die schmutzige Klaue

endlosen Verlangens 

umklammerte mein Herz

und 

anderes.


Ich habe die Finger auseinandergebrochen

gegen meinen eigenen Willen,

aber ich obsiegte und 

sie hat sich gelöst

fällt nun zurück, woher sie kam.


Frische Morgenluft 

streicht über mein Gesicht

und ich weiß, es war gut,

den Deal nicht anzunehmen.

See you next time at the crossroads.





Montag, 1. März 2021

Cold Turkey

Mein Körper, meine Beine, mein Kopf,

befreit von deinem Verlangen.

Es kribbelt, es lebt, es atmet, 

Zellen organisieren sich neu, richten sich aus auf eine

Zukunft

ohne dich.


Dann ziehen sie sich zusammen, schmerzen vor Sehnsucht,

krümmen sich in Wut und 

Begierde.

Ein Giftgeschmack im Mund, ich speie dich aus.

Ein Stechen im Rücken, wo ist deine Hand?


Ich könnte anrufen.


Sagen, ich schaffe es nicht.


Aber ich will es allein schaffen.


Kalter Entzug.


Keine Hilfe.


Geh.


Für immer.




Hoffnung

Wie kann das sein,

dass ich dich nun seit Tagen, die sich anfühlen wie Jahre, 

nicht mehr gesehen,

gehört, gerochen, gefühlt, geschmeckt 

habe,

du stärker in mir bist, denn je zuvor?

Wie kann das nur sein?


Ich hoffe, du hast einen Neuen und bist bald schwanger und lebst 

dieses verdammte Leben, das

du dir so wünschst.

Dienstag, 23. Februar 2021

WTF

 Ich saß im gleißenden Sonnenlicht

mit einer Gruppe junger Frauen, 

eine davon 

eine Person, die ich sehr liebte,

sie war fröhlich, etwas untersetzt, mit großen Brüsten und 

einem Lachen und einer derart gesunden Lebenszugewandtheit,

einer Frechheit, einer Selbstsicherheit und Stärke,

dass jeder, der sie sah, sich sofort in sie verliebte,

die mich aber nicht wollte

auf einer Dachterrasse hoch über einer Stadt

irgendwo im Norden, die aber dennoch hell und warm 

war.

Die Farben waren grau, blau, golden und betonfarben, da

neben uns ein Hochhaus mit Balkonen war, das die Dachterrasse

des Hochhauses, auf dem wir saßen, bei weitem überragte.

Wir scherzten, ich hatte einen breitkrempigen 

Hut auf, alle schauten zu mir,

auch die Frau, die ich so liebte, die mich aber nicht zurück liebte,

außer diesmal, diesmal liebte sie mich, vielleicht später.

Mit einem Mal schwebte ein Gespann weißer, großer Schwäne

in Geschirren, ähnlich einem Rentiergespann

aus der Luft vor der Hochhausfassade, neben der wir saßen,

hernieder

und ich sah,

dass der Lenker des Gespanns, der ebenfalls Flügel am Rücken hatte und 

komische glitzernde Kleider,

die Leitschwänin, die direkt vor ihm schwebte,

von hinten fickte.

Gleichmäßig leidenschaftslos rein und raus glitt in ihre

Schwanenöffnung. 

Sie flogen langsam, so dass er nicht aus dem Takt kam.

Es hatte eine Beiläufigkeit und eine Selbstverständlichkeit

und gleichzeitig eine Dreistigkeit, da ja wir hier saßen und das sehen konnten.

Ich machte die anderen darauf aufmerksam, die lachten

und wir lachten, 

da lenkte der Schwanenficker sein Schwanengespann aus der Luft in einem Bogen

herunter zu uns. Wutentbrannt.

Landete, stellte sich neben mich, sein Penis

hing immer noch aus der Glitzerhose,

es war ein schrumpeliger, rotes Miniding, 

Vogelpenis, sollte es so etwas geben,

er war aufgebracht, aggressiv, 

immer wieder hörte ich ihn sagen "Na und?!"

Ich weiß nicht, was er wollte, machte aber einfach einen versöhnlichen Witz

Er packte seinen Vogelpenis wieder an,

im Hintergrund, an der Dachkante, schnatterten die Schwäne,

Ich nahm eine Marlboro aus dem Bigpack und gab eine Runde 

Zigaretten aus.

Wir rauchten und lachten und später 

flog der Schwanenmann mit seinen Schwänen

davon

und ich landete auf einer Party,

wo in einem dunklen Gang,

in dem eine Couch stand, wo Leute saßen, warteten, rauchten, tranken,

das kleine, kräftige Mädchen mit den großen Brüsten

doch noch begann

mich heiß und innig zu lieben.





Was willst du?!

 Die Sonne,

die vielen Menschen auf der breiten Wiese,

lass uns weg bleiben vom Kinderspielplatz.

Mein unangenehmes Grinsen, die schlechten Witze zwischendurch.

Moment, kann ich das nochmal ändern?

Nein, jetzt ist es zu spät.

Bist du einigermaßen glücklich ohne mich, ist das ein lebenswertes Leben? Ja.

Deine Tränen, dein Klammern, das Drama, inmitten der Tausenden Menschen auf der Wiese.

Hoffentlich sieht das keiner.

2 Menschen, die sich unangenehm lange anschweigen, 

du gehst zu Deinem Fahrrad am gelben Fahrradständer,

ich werfe unsere beiden Kaffeepappbecher in den Mülleimer, darin noch die leere Erdnusstüte.

Von den Nüssen hab ich viel mehr gegessen, als Du.

Wir leben 2 verschiedene Leben.

Dir sind die Eltern der Freunde deiner Kinder wichtig, wenn Du wüsstest.

Wenn du wüsstest, dass ich mich nach einem Kontakt zu diesen Eltern sehne

aber meine Frau blockt das, weil sie einen einsamen seltsamen Verweigerungs-

Angstfilm fährt.

Halb Vier, gleich hab' ich noch ein Teams Call.

Im Büro riecht es nach Rauch und Sex.

Obwohl die Fenster schon so lange offen stehen, ich weiß nicht, was ich tun soll,

ob ich nicht die Chance auf ein viel besseres Leben verpasse.

Du bist so klug und so schön und wir können Stunden reden, immer noch,

nackt traumwandeln wir, unsere Seelen sind sich ähnlich und völlig verschieden,

du kannst mir viel zeigen, bist selbständig,

eine ganze Welt, es gibt immer einen Weg, brichst einfach ein in deine Wohnung, mitten in der Nacht,

gehst einfach in dieses fremde weiße Gebäude, fragst nach Klos und alle helfen dir

Ich will eine Frau, die mich aus der tiefsten Hölle im 

entferntesten Winkel der Welt zieht.

"Du sagst, ich will gut sein, aber du bist es nicht"

Und es stimmt. Ich bin es nicht.

Ich will gut sein.

Ich will es wirklich sein.

Will niemanden verletzen,

und meinen eigenen Weg.

Können wir nicht einen Plan machen? Es gibt keinen Plan für Liebe und große Gefühle, man kann da nichts mit Vernunft steuern.

Ich sehe in der grellen Mittagssonne das eine ganz und gar weiße Haar 

in deinem dunklen Schopf und ich weiß:

ich bin es, der dich gehen lassen muss.

Oder ich ändere etwas.

Was will ich?!




Samstag, 13. Februar 2021

Sonnensamstag

 Du stehst draußen vor dem alten Mehrfamilienhaus

in Deinem alten, langen, blauen Parka,

den Handschuhen, Schal, Kapuze,

Deine/Meine Kinder rechts und links im Arm

Die Sonne knallt auf den Trubel und das bunte

Durcheinander eines Samstags, 

mitten im Lockdown

Rauchfahne, aus Schornsteinen schnurren lustig in den Himmel

Autos spiegeln sich in Schaufenstern

Sprachen aller Nationen 

aus aller Welt

auf dem Trottoir

Deine/meine Söhne neben dir

du ziehst sie zu Dir und

strahlst mich an

bereit für das Foto, das den einen Moment zeigt,

der zählt inmitten all

der Momente,

in denen nur gestritten wird und gekämpft und geschimpft,

in denen wir uns fremd sind.

I' m still in love with you.





Mittwoch, 23. Dezember 2020

Heiländerin

 Ich sehne mich nach dir,

will meinen Kopf auf deinen warmen Bauch legen,

deine Hand führt meine Hand auf deine Brüste und ich spüre, wie diese

sich hin zu mir wölben,

so wie dein klug pochendes

Herz.

Ich strecke mich, ich darf,  

deine feine Stimme flüstert mich in 

die sibirische Schneenacht,

wo wir an einem Feuer liegen,

während es draußen schneit

(hier regnet es immerfort)

und unsere nackten, warmen Körper sich 

ineinanderkeilen,

eine Jahreszeit lang, 

ohne je zu ermüden.

Ich sehne mich nach dir, nach deinem Trost und deiner

Zuversicht, wenn alles verloren ist,

und alle anderen nur klagen, 

nach deiner Klugheit, die umherschweift wie ein Polarfuchs 

in einer stillen weißen Stadt,

nach deiner

Schönheit, die leuchtet, 

unter mehreren  

Lagen Parkas, 

damit du nicht frierst, wenn du durch die Stadt braust und die Menschheit

versorgst mit 

dem, was sie entbehrt in diesen Zeiten und jenen davor, sowie den kommenden,

Liebe.





Dienstag, 15. Dezember 2020

Blutung

Sie nahm meine Hand, sah mir in die 

Augen und sagte

"Meine Oma blutet, es hört nicht auf."

Seit Tagen verlor sie Blut.

Krebs im Endstadium.

Tumore im ganzen Körper.

Die letzten Tage hatte die Oma stark an Gewicht verloren.

Es war auch schön, weil sie wieder aufstehen und 

umherlaufen konnte, sagte sie.

Sie war hell und klar,

- ist hell und klar.

Ich hätte sie gerne einmal getroffen.

Würde sie gern einmal treffen.

Auch wenn sie mich nicht verstehen könnte.

Ihre Enkelin und ich kannten uns schon so lange, aber ich hatte die wichtigste Person

in ihrem Leben

nie getroffen.

Die Oma hatte sie aufgezogen, als ihre Mutter wegen

psychischer Krankheit ausfiel.

Die Oma hatte sie in einem anderen Land beschützt, versorgt,

ernährt, getröstet, gelehrt, ausgeschimpft und immer geliebt.

"Es hat keinen Sinn, sie wieder ins Krankenhaus zu bringen"

sie drückte meine Hand und sah mir fest in die Augen,

"sie ist 84".

Die Oma verblutet langsam.

Aller Lebenssaft läuft aus ihr heraus.

In einem Hochhaus am Rande der Stadt, nicht weit vom Fluss, im 10 Stock.

Ihr dementer Mann neben ihr und eine fremde Pflegerin,

mit der sie nicht sonderlich gut auskommt, deren Sprache, sie aber immerhin

versteht.

Draußen Regen, Lockdown, die Stimmen deutscher Menschen, deren Sprachen nie lernte.

Der wichtigste Mensch in deinem Leben.




Sonntag, 13. Dezember 2020

Geburtstag

Welche deiner Geburtstage erinnerst du?

Wenige.

Den mit den anderen Grundschulkindern, damals in der Ghettosiedlung,

als alle neidisch waren, dass meine Eltern eine schöne, helle

Wohnung mit Büchern hatten. Dass der Ton freundlich war und niemand sturzbetrunken

und gewalttätig. Man stellt mich in die Mitte zu einem Foto und man konnte sehen,

dass ich stolz war. Aus mir könnte was werden. Niemand mochte mich, aber es fühlte sich

trotzdem gut an.

10 Jahre später im Einfamilienhaus im Akademikerghetto mit den Kindern aus der

Nachbarschaft, als ich versuchte, Sketche aufführte mit den anderen, aber niemand 

mochte mein Spiel und meine Idee und meine Elterns schämten sich für mich und 

wollten, dass ich aufhöre. 

Das war übel, aber sofort haben wir etwas anderes gespielt, mit Fangen, Waffen und

Süßigkeiten, das war dann 

weniger unangenehm für alle.

Mit 28 draußen im Winter, zu Gast in der Stadt, in der ich

die meiste Zeit meines Lebens verbrachte. 

Es war kalt und es fiel Schnee. Mein Sänger und mein Schlagzeuger

waren bei mir, ich hatte keine Bleibe, wusste nicht, wo 

ich übernachten würde aber das kümmerte mich 

nicht und wir gingen in einen Club und schauten uns den Auftritt einer britischen

Punkband von 1977 an. 

Ich zahlte den Eintritt für uns drei. Keine Geschenke.

Dann in der Altbauwohnung mit den hohen Decken, einige Größen aus der

TV-Branche waren da und meine Brüder so irre neidisch, aber dennoch alle sehr betrunken

und ausgelassen und bereit, Grenzen zu überschreiten, 

ich tanzte irgendwann zu HipHop und das ging gut, besser als zu diesem Rock, der

den ganzen Abend lief.

Und nun, mit 54 in der großzügigen Wohnung am Parkrand,

morgens die ganzen What' s Wappen, die eingehen und immer schreiben alle, ich solle mich

feiern lassen, 

was schwierig ist, wenn man niemanden einladen darf und die Familie

einfach nur sehr wenig Lust auf meine Gesellschaft hat.

Der Versuch, die Familie zu einem Spaziergang im Wald zu überreden, klappt,

weil ich das Auto organisiere, das Essen und die Route planen muss.

Aber wir kommen nicht weit, weil jeder etwas anderes machen möchte und

der große Sohn nicht meine "beschissenen Kommentare zur Kack-Geschichte des Ortes"

hören will - herausgeschrieen, vor anderen lächerlichen Wanderern.

Ich geb' auf. Fahre alle wieder nach Hause und tippe das hier.

Allein.

Wie ich sein sollte.

Happy Birthday to me.





Montag, 23. November 2020

Guten Morgen

Der Morgen küsst mich wach mit Lippen 

fast so zart wie die 

Deinen

und ich blinzel und seh’,

Du hast mir geschrieben in der Nacht.

Und ich lese, dass Du schriebst, was ich träumte und

ich frag' mich,

ob ich noch immer schlafe

und 

träume.
Von Dir.

Mittwoch, 11. November 2020

Supermarkt der Träume

 Gestern fielen wir übereinander her

in einem Hotel neben der regennassen Autobahn

in Holland.

Wir fanden ein Zimmer, das nicht abgeschlossen war,

deine Brüste lachten rund und voll,

"wie bei Bukowski" sagtest du,

während ich dich von hinten zum

vierten Mal nahm.


Groß rauskommen bei den Medien

war der Plan.


Dann platzten einige Träume,

Eltern starben,

Nerven versagten,

B-Pläne funktionierten nicht, 

Freundinnen zogen in den Speckgürtel,

bekamen Kinder.


Du nicht.

Niemand war sensibel und gleichzeitig klug und frei genug

um mit dir mitzuhalten.

Du bliebst allein.


Wohin mit der Zeit?

Pflanzen, Schrebergarten, Ayurveda.


Und dann sah ich dich wieder.

Das Gesicht etwas faltiger, die einzige offene Kasse

des Biosupermarktes.

Präzise und verträumt wie immer,

viel zu gut für diesen Job.

Ich machte einen leicht anzüglichen Witz, 

was ich sonst nie mache,

aber

du hast gelacht wie früher

vor 30 Jahren

in dem Hotel an der Autobahn.





Dienstag, 10. November 2020

Duscha

Feine Dämmerung senkt sich 

auf uns,

den stillen Wald, das ferne Tal.


Zwischen kerzengeraden Fichten

schwebt leiser Nebel.


Wir stehen reglos und ich spüre 

deine Hand in meiner.


Innen leuchten unsere 

Novemberseelen.





Freitag, 6. November 2020

Das letzte Mal

Es war das letzte Mal,

dass die Nicht-Berechnenden,

die Aufrechten, die Naiven, die Herzvollen,

die Kind Gebliebenen einen

Anführer 

hatten, der wie sie, nicht bereit war,

hinzunehmen, 

dass sie von jenen in den glitzernden Städten als 

kläglich 

wahrgenommen wurden.

Für immer werden nun diejenigen regieren,

die alles haben und nichts abgeben,

die das Leben verachten, wenn es nicht perfekt ist,

die jeden Deal machen,

ungeachtet der Folgen, 

die kein Gewissen haben, aber die

ganze Moral.





Dienstag, 3. November 2020

Wasting my time

die Kinderstimmen im Park dringen durch das gekippte Fenster

eine davon die eines meiner Kinder,

Sonne, Herbst,

frische Luft, endlich,

Körper, Kopf,

alles fühlt sich schwer an, endlich.

Kaffee, Müsli, Dusche,

Zeit schmilzt auf Nachrichtenseiten,

der Kulturkampf

zwischen Gestern und Morgen wird 

morgen entschieden.

Das Gestern wird verlieren.

Und dann das Morgen bekämpfen.

Und wieder verlieren.

Zum Chirurgen,

es könnte Krebs sein, klar.

Die Arzthelferin schrecklich jung mit engen weißen Hosen,

großen Brüsten, Tattoos, benötigt meinen Pass für die Versicherung.

Das Morgen. 

Der Arzt geht gebeugt, er müsste längst in Rente sein, keine Ahnung, weshalb er weitermacht.

Er schaut kurz drauf und weiß sofort:

Es muss operiert werden, schnell.

Die Arzthelferin gibt mir den Pass zurück und wünscht mir alles Gute.

Draußen Licht, Laub, Wind.

Ich miete einen E-Roller,

werde angehalten von einer freundlichen Polizistin,

weil ich gegen die Einbahnstraße fahre. 

Ich zahle brav, wünsche ihr einen guten Tag.

Fühle mich überlegen. 

Mein Geheimnis ist so stark,

nichts könnte mich erschüttern.

Außer vielleicht, 

die Kinderstimmen nicht mehr zu hören.


Niemand vermisst mich, während ich das schreibe.





Samstag, 31. Oktober 2020

Das größte Drama aller Zeiten

Mein 7jähriger Sohn und ich

fuhren durch den leuchtenden Herbsttag mit den Rädern zurück aus der Stadt

nach Hause.

Durch den weiten, verwilderten Park neben der

Bahnlinie.

Plötzlich bog er ab und ich sah ihn mit seinem langen blonden Haarschopf 

den Steilhang neben den Gleisen

hochrasen,

wo dichte Hecken sind und oft seltsame Gestalten herumlungern

und man von unten nicht sehen kann, was vor sich geht.

Ich wendete und folgte ihm.

Fuhr am Hang meinen Reifen kaputt.

Konnte nicht weiter.

Ich hörte seine Stimme von weitem:

"Kommst du, Papa?!"

"Nein, mein Rad ist kaputt! Wartest du?!"

Keine Antwort.

Ich ging hoch, um zu schauen, wo er steckte.

Weg.

Ich folgte dem Weg, den er nehmen würde.

Nichts zu sehen.

Irgendwo weit hinten ein Junge auf einem Rad, mit Helm. Er näherte sich.

Erleichterung.

Aber es war nicht mein Sohn.

Ich war ratlos.

Er war nicht da.

Eben war er da, wir hatten einen schönen Tag in der Stadt,

er durfte sich etwas Süßes am Kiosk kaufen, 

wir suchten ihm eine Lokomotive für die Eisenbahn aus.


Jetzt war er weg.

Nicht da.

Nirgends.

Die weite Ebene wie leergefegt,

gleichgültig von der Herbstsonne beschienen.

Plötzlich der Schock: "Was wenn er mitgenommen wurde?!"

Ich schob mein Rad weiter Richtung Stadt.

Beunruhigt.

Als Kind malte ich mir oft aus, was passieren würde, wenn mich jemand

mitnehmen würde.

Ich dachte mir Szenarien aus, wie ich entkommen würde.

Ich fühlte mich vorbereitet, damals.

Ein Kind kann böse sein und ungehorsam, 

aber nicht berechnend.

Es kann die unendliche Bösartigkeit der Erwachsenen nicht ermessen oder erahnen.

Jedenfalls, wenn es behütet aufwächst.

Ich würde für immer,

bis ans Ende meiner Tage

immer gut zu ihm sein.

Ihn gut behandeln.

Ihn niemals allein lassen, 

wenn er es nicht wollte.

Niemals schimpfen, Unmögliches fordern.

Ich würde der beste Vater der Welt sein.


Die Familie würde Auseinanderfallen über die Schuldfrage.

"Wieso hast du denn nicht gründlicher gesucht?"

"Wieso bist du nicht gleich zurückgefahren?"

"Wieso muss uns das passieren?"

"Du warst immer schon nachlässig und leichtsinnig!"

Würde ich mich umbringen?

Das würde dem Großen den Rest geben.

Weitermachen mit einem schwarzen Schatten auf der Seele,

bis zum Tod.

Immer das strahlende kleine Gesicht vor Augen, die laute, klare Stimme

im Ohr.

Dann der Anruf:

"Papa? Ich bin schon zu Hause, ich wollte schnell anrufen, damit du dir keine Sorgen machst

und nicht die Polizei rufst!"

Ich schaute auf die sonnige Ebene mit den kleinen Bäumen,

vereinzelte Menschen, einige mit Hund,

Kinder, Erwachsene, Tiere.

Die Erde war ein Paradies.





Freitag, 30. Oktober 2020

Maligne

Der gelbe Klinikklotz aus den Fünfziger Jahren.

 

Draußen ein lang erwartetes Gewitter,


das den Park rund um die Klinik 


flutet.

 

Der Sommer versinkt in breiten Pfützen.

 

Unterm Vordach vor dem Haupteingang


blasen


Patienten in Bademänteln


Rauch


in die dichten Regenschwaden.

 


Eine Frau im Rollstuhl spricht mit ihrer Tochter.

 


Autos zischen vorüber und


das Rauschen der Regenbahnen 


übertönt wieder


alles.

 


Oben im Zimmer liegt ein Mann, der die Diagnose bekommen hat,


die ich hätte bekommen sollen.

Kosmos

 Stern für Stern schält sich

aus dem kosmischen Staub 

der Ewigkeit

 

und scheint silbern auf deine

makellos glatten Beine.

 

In deiner schwarzen Sonnenbrille

spiegelt sich das Mondlicht.

 

Und dein Lächeln 

triumphiert.

Einfach so

 kam es aus meinem Mund:

"Ich will mich nicht länger von dir anschreien lassen"

Obwohl:

so laut war sie nicht.

Und ich war,

wie meistens,

auch nicht sonderlich klug.

Dumm, könnte man schon sagen.

Aber so ist es,

manchmal spricht man eine Wahrheit 

auch mal 

im unpassenden Moment aus.

Mittwoch, 28. Oktober 2020

An der Schwelle

In meinem Bauch

drückende Schmerzen.

Mehrere Entzündungspunkte.

Morgens,

mittags, manchmal abends.

Es könnte final sein.

Im Frühjahr gab' es eine unklare Prognose.

Dann die OP im Sommer wegen einer Krebsdiagnose,

die sich als falsch herausstellte.

Das könnte jetzt 

das sein, was die OP im Sommer

nötig machte.

Es fühlt sich an, als wäre es klug, 

irgendetwas zu ändern.

Sonntag, 25. Oktober 2020

Herbst 20

Nachts,

an der Kreuzung 

zur Kanalstr.

wartete ich, dass das Grünsignal

kommt.

Es dauerte.

Autos rauschten vorüber.

Ein LKW.

Mehr Autos.

Schattenrisse, 

ohne Bedeutung  

für mein Leben. 

Ich war allein unter den rasch dahinziehenden

Wolken des

Nachthimmels.

Niemand erwartete mich.

Jäh raschelte trockenes Laub über den Asphalt

und starker Wind kam auf.

Blies mir in den Rücken,

zerrte an meiner Herbstjacke,

drängte mich vorwärts.

Dankbar überquerte ich die Straße,

bevor der Winter anbricht.




Dienstag, 22. September 2020

Fremd

 Deine Stimme voller Zuversicht.


Voller Freude

und Kraft.


Über die Zeremonie deiner Leute draußen im Park, die das 

neue Jahr begrüßen

im September.


Die zusammen sind.

In der Fremde.


Auf ewig.

Alle kennen sich.

Halten zusammen.

Wie gut.


Und weil ich das nicht habe,

freut mich deine Freude nicht.


Wie kann das sein?


Hab' ich nicht Dome und Basiliken?


Das ist das Problem: nicht diejenigen fühlen sich ausgestoßen, die fremd sind.


Sondern die, die es nicht sind.





Sonntag, 13. September 2020

Echsenmenschen

 Sie war jung, als ihr berühmter Vater sie sitzen ließ und

ihre berühmte Mutter sie nun allein

erziehen musste.

Einmal ließ die Mutter das 10jährigen Mädchen quer durch

den Central Park nach Hause laufen.

Allein.

Im Winter.

Die Seele des Mädchens bekam Narben und es hungerte nach 

Liebe.


Ein zartes, junges Mädchen von 14 oder so.

Blonde Haare, blaue Augen, nicht sehr attraktiv.

Traurig, klein, einsam.

Sie sah ihre berühmte Mutter mit den Männern und den Drogen

und der vielen Arbeit und sie wusste:

sie würde niemals die Nummer 1 sein.

Weitere Narben überzogen ihre Seele.


Aber sie wurde auch hart.

Weil sie wusste: sie gehörte zu den Gewinnern.

Als sie etwa 20 war lernte sie einen jungen Mann kennen.

Er war verloren wie sie.

Aber sehr viel schlimmer.

Seine Mutter hatte sich erhängt.

Seinem Vater war er egal.

Sein Bruder war ein Junkie.

Das Mädchen war sein ein und alles.

Sie verbrachten jede freie Minute miteinander.


Sie liebten sich.


Manchmal spielten sie Rollenspiele

und sie war seine Mutter, die sich erhängt hatte.

Mit dem Unterschied, dass er sie  jetzt

ficken konnte.

Beide.

Das Mädchen genoss ihre Macht.

Endlich Macht.

Liebe.

Die Nr. 1.


Aber er war anstrengend und passte nicht zu ihrem

aufwärts strebenden

Lebensweg.


Sie trennte sich von ihm.


Er zerbrach, aber nur beinahe.


Wollte sich umbringen.

Tat es aber nicht.


Sie kehrte nicht zurück zu ihm, obwohl sie vielleicht sogar gewollt hätte.

So viel Macht...

Einige Wochen später versuchte er es wieder.

Am Telefon flehte er sie an, ihn zurück zu nehmen.

Sie tat es nicht.


10 Minuten später hatte er sich erhängt.


Sie war traurig.

Ihre Mutter war ebenfalls traurig,

aber sie konnte nicht richtig zuhören,

sie hatte wenige Minuten zuvor erfahren, 

dass man ihr einen wichtigen Preis verleihen würde.


Eines Tages, schwor sich das Mädchen,

würde sie alles aufschreiben oder einen Film darüber machen

und dafür dann 

ebenfalls 

einen wichtigen Preis bekommen.





Mittwoch, 8. Juli 2020

Ein Glück

Sie wollte einen, den sie lieben konnte,
mit dem sie Kinder zeugen konnte,
dem sie ein Hier geben konnte und die Welt bereisen konnte.

Den sie den Menschen zeigen konnte,
die sie liebte,
bevor diese Menschen,
verschwunden waren.

Es waren nicht viele.

Der Vater, gleichgültig, weit fort.

Die Mutter im Wahnsinn elend gestorben.

Opa und Oma.

Sehr alt, sehr klug, sehr fremd.
Sie umsorgte sie jeden Tag.

Und dann fand sie einen und sie probierten
wie es sein könnte.

Viel zu lang.

Was an ihm lag.

Und in jener Zeit wurde Oma dement
und Opa hatte einen Schlaganfall und wusste nicht mehr,
wer sie war.

Die Hoffnung auf ein Glück
verschwand,
wie der Schaum der Welle,
der lautlos im feuchten Sandstrand
versickerte.

Er sah zu und konnte nichts tun.

Er wollte nicht
dieses Glück
sein.



Juli

im tiefen Frankreich,
irgendwo mitten im Land,
schneiden
gelbe Scheinwerfer durch dichten,
kühlen Sommernebel.

Ein Wagen zischt vorüber, ich stehe
am Straßenrand, zitternd.



Mittwoch, 15. April 2020

Memories

when
Paris
was an endless sea of houses,
deep with unknown emotions.

The birdcages by Centre Pompidou.
Like a painting, that's vanishing,
while we looked at it.

All the faces back then.
Crueler,
smarter,
stranger.

When the train stopped in Gare St. Lazare and
we
in our winter coats,
engulfed in
the smell of the centuries
and very strong cigarettes.

In a queue for Jeu de Paume,
back when they had the
Impressionists
and someone said
"Gertrude Stein"
and the light was so much clearer,
the air so much cooler
and the future brighter.

In the quiet Appartment in the suburbs.
The cats purring,
the statute of the masturbating woman.
Laughs.
Cigarettes.
Red wine.
Good food.

I loved your deep blue eyes.
Your blond hair,
the smell of it,
the warmth of your hand,
the smart things you said.

I never wondered
what you loved about me.

I should have.



Müde

Müde

bestrahlt, durchschaut,
es gibt nichts in mir,
es gibt nichts.

Ein paar Dinge in meiner Brust,
die nicht da hingehören, die aber nicht
gefährlich sind.

Ich schließe meine Augen.

Wie lange noch?

Wie lange?

Wie?




Freitag, 26. Juli 2019

Du sollst wissen

dass ich nie sagen konnte:
"Ich liebe dich",

weil ich nicht weiß,
wann,

weil ich nicht weiß,
wie,

weil ich nicht weiß,
warum.

Und natürlich
weil ich weiß,
dass ich mich davor
fürchte,
dass es
so ist.




Poesie

Wenn ich schreibe,
sterbe ich.

Wenn ich nicht schreibe,
lebe ich.

Also organisiere ich.

Organisieren
schenkt Leben.

Poesie
tötet.

Ich hasse organisieren.




Mittwoch, 26. Juni 2019

Holocaust

Mein Sohn,
11 Jahre,
kam früher aus der Schule.

Das Sekretariat rief an, er hätte Kopfschmerzen und Bauchweh.

Als ich zu Hause ankam, war er schon da, lag zusammen gekrümmt auf der Couch.

Ich kochte ihm Nudeln,
und wir aßen.

Dann sprach er davon, was er heute in Religion über
Anne Frank gehört hatte.

Er hatte alles erfahren.

Alles, was die Deutschen getan hatten.

Ich erinnerte mich an meine Kindheit, wie ich sofort Durchfall und Magenschmerzen
bekommen hatte, als ich davon hörte.

Ich wusste, wie es ihm ging.

Wir redeten beinahe 2 Stunden.

Danach ging es ihm besser.

Im Gegensatz zu-







Zug

Wieder hinter dunklen Scheiben,
herunter gekühlt
auf Geschäftstemperatur.

Wieder auf dem Weg zu Menschen,
die unabsichtlich in meinem Leben sind.

Wieder rast draußen ein duftender, heißer
Sommer vorbei.

Wann steige ich aus und verbringe einen ganzen Sommer
im Gras?



Freitag, 15. März 2019

Freitagabend

Der Sturm tost um das obere Stockwerk
des Gebäudes,
in dem ich sitze und
tippe.

Regentropfenklatschen dringt
vereinzelt durch das Fauchen des Windes
an die hohen, dichten Fenster
und vermischt sich mit dem Klappern der
Tastatur.

Unter mir die Stadt,
im Gleichlauf der Tage, Wochen, Jahre.

Ich kann dich nicht anrufen, du bist in einer
Besprechung.

Ich warte.

Ich werde älter.

Und sammle wieder

Geheimnisse.




Dienstag, 12. März 2019

Sturm

Gischtkronen tanzen
auf dem breiten Strom,
Sonne gleißt 
jäh über 
das Graubraungrün des Rheingebirges.

Deine Hand warm in meiner.

"Wie Pappelsamen werden wir mit dem Wind in die Stadt wirbeln,
uns im Boden
eingraben und aufgehen und
wachsen."

Vor dem gebrochenen Baum,
weiße Fleischwunde, die in die 
die Flusslandschaft leuchtet,

- ein Kuss.

Wir wehen davon
in
Herbststürmen,
Winterstürmen,
Frühjahrsstürmen.








Samstag, 2. März 2019

Geht ja leider nicht


"Bitte jetzt“ 
steht auf der Hauswand 
gegenüber.
In der Ferne tobt Straßenkarneval,
während ich
im Schnittstudio 
Töne
anlege, die mir nichts bedeuten,
zu Bildern, 
die mir nichts bedeuten,
und dabei
stumm bleibe.

Spüren, wie die Beine, sich nicht dorthin bewegen können,
wo sie hin wollen.

Die Augen schließen.

Dein Blick, die weich fallende, graue Strickjacke,
Sonnenflecken, ein Lächeln, eine Zigarette
die Knospe 
am Baum vorm Fenster.

Sei hier.

Bitte jetzt.




Ultima ratio

Aus dem grauen Nebel,
der über der Stadt liegt,
schrillen die Rufe der Feiernden bis hoch
hinauf
ins Büro.

Autoverkehr in der Ferne.

Der Chromstahl der Schreibtischlampen
glänzt.

Es wird kälter.

Das Wasser ist getrunken.

Dämmerung verschluckt die Stadtsilhouette.

Auf der anderen Straßenseite
glühen Fenster
orange.

Die schwarzen Baumspitzen schwanken
lautlos.

Ein Vogel prallt an die Fensterfront.

Ich hab' verstanden.

Du wirst nicht zurückrufen.




Mittwoch, 16. Januar 2019

Train a grande vitesse

Deine schmale Silhouette,
die langen Arme, langen Haare...

Hoch oben
an einem offenen Fenster
in einem
Mietshaus aus rotem Sandstein
mit vielen Etagen
stehst du und
winkst kurz.

Du schaust zu mir.

Die Hand am Fenstergriff.

Klein bist du von hier unten.

Klein und fern.

Du schaust zu mir.

Nicht das Fenster schließen!




Montag, 10. Dezember 2018

In deinen Armen

gelten keine Regeln,
nur:
funkelnde Energie,
die auflädt,
reibt,
explodiert,
lockt,
steigt,
schmilzt.

In deinen Armen bin ich
wo ich nicht sein will -
bei mir.

Du sagst, du freust dich für
mich. Aber
freust du dich auch für dich?

In deinen Armen ist es ein langer Weg
in deine Arme.




Wenn du schläfst

Wenn du schläfst, bist du in weiter Ferne.

Deine Augen fester geschlossen
als der Himmel
an den du nicht glaubst.

Tiefe, dunkle, lockende Wälder,
russische Weite, freundliche Wolken.

Eine Hütte, der Vater winkt, die Mutter im weißen Kleid
dichtet.

Der Hund springt durch das mannshohe Gras.

Es gibt einfache Mahlzeiten und du singst Lieder
vom unvergänglichen Leben,
wie nur kleine Mädchen sie singen.

Wenn du schläfst, bist du in weiter Ferne

angekommen.




Samstag, 13. Oktober 2018

Hamburg

Es gibt dieses Hamburg,
dieses Thornton-Wilder-Hamburg.

Milde Strenge, nachsichtige Klugheit, Optimismus,
dass wir in bürgerlicher Gemeinschaft ein gutes Leben führen werden.

Blauer Himmel, Musik, an einem Kiosk tanzen Menschen
bedacht, nicht allzu ausgelassen zu wirken.

Der Weg vom Dammtor-Bahnhof Richtung Alster.

Ein japanischer Garten mitten in der Stadt.

Sorgfältig weiß gestrichene Gründerzeitbauten,
ich gehe in eine Galerie, spreche über einen Künstler,  überrasche mich und die Galeristin
mit Offenheit.

Ich dachte mal, dies ist der Ort, an den ich gehöre.

Eines Tages würde ich wohnen in diesem Quadratkilometer heiter
rationaler Architektur aus einem Geist, der nie vergeht.

Es wird dunkel, die ruhigen, kleinen Restaurants leeren sich, die Schar der schweigsam
mahnenden Eltern und ihre Kinder verlässt Planten und Boomen,
bevor sich der überraschend heiße Oktobertag völlig dem Ende zuneigt.

Ich gehe in mein Hotel, schaue aus dem 11. Stock auf den Sonnenuntergang über
dem heiteren Grün und die nach Hause eilenden Menschen.

Niemand wohnt hier.

Ich bin so allein wie damals.

Da war ich 20 und hatte eine Hoffnung.

"Da ist ein Land der Lebenden und ein Land der Toten, und die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe - das einzig Bleibende, der einzige Sinn."



Sonntag, 23. September 2018

Schmerz

Nahe der Ohnmacht,
schwitzend,
absolut alleingelassen
rase ich durch die Stadt.

Mein Schädel droht zu platzen.

Meine Sicht verschwimmt, Autos rasen vor mir, neben mir, über mir.

Ich hab' eine Stunde.
Werde ich es zum Zahnarzt schaffen, um die opiumhaltigen Schmerzstiller zu bekommen?
Werde ich meinem Kleinen das Fahrrad rechtzeitig bringen,
damit er zum Kindergeburtstag kann?
Werde ich rechtzeitig die neuen Werbespots geschrieben haben, auf die
10 für mein finanzielles Überleben wichtige Menschen warten, in diesem Augenblick, in
500 km Entfernung, alle abhängig von dem, was mir gleich einfällt,
wenn ich diesen höllischen Schmerz
abgestellt habe?

"Diesen höllischen Schmerz abstellen", denke
ich.

Abstellen.



Kunstgeschichte

"Ich bin jetzt Teil der Kunstgeschichte",
sagst du und schaust mich an aus deinen
tiefblauen, tieftraurigen Augen und trinkst einen Schluck
Kräutertee.

Die Haare weiß, sehr kurz,
am Hinterkopf bereits ausgefallen.
Wie bei deinem Vater, der dich,
als du noch schwarzes Haar hattest,
das du lang wachsen ließt,
mit hartem Militärgriff im Nacken packte und übers Klo
zwang,
um mit einer Haushaltsschere
deine Mähne zu kürzen, während Du weintest und fluchtest und deine Mutter
irgendwo im Hintergrund
hysterisch schrie,
was sie ohnehin meistens
und meistens
ohne besonderen Grund
tat.

Dein Sohn, jetzt 16, kann kaum schreiben und liest nicht, sagst du.
Er floh aus dem Internat, nach nur
2 Tagen.

Deine geschiedene Frau, eine blutsaugende, psychotische, anmutige,
ungleich talentiertere Person als du,
hat ihre Kunst
aufgegeben.

Deine Fotos zeigen meist schwarz weiße Ansichten von
zersiedelten Gegenden, Häusern, in denen
sich solche Geschichten nun mal
abspielen.

Aber Du bist nicht mehr Teil dieser,
ihrer,
seiner,
meiner-
ja nicht einmal
-deiner Lebensgeschichte.

Du bist sicher.

Du bist Kunstgeschichte.




Fantasy Land

Dein ernster Blick
unter Blondschopf
in der
Warteschlange.

Ohne Angst
mit Skepsis
und manchmal Freude
gehst du allem entgegen,
was dich interessiert,
während du alles andere
mit unbeugsamem Willen
und letztgültiger Verachtung
meidest.

Wenn es sein muss, auch
regelmäßige Mahlzeiten.

Ich möchte sehr lange leben, um deine Reise
mitzuerleben, Sohn.

It' ll be a blast!





Montag, 7. Mai 2018

Pittura metafisica

Blauer, ausdrucksloser Himmel ohne Tiefe.

Scharfgezeichnete Schatten auf
der klassizistischen Fassade
des Hotelneubaus,
eingerüstet bis in den Himmel.

Keine Bauarbeiter.

Keine Maschinen.

Stille.

Leuchtender Sandstein. Blauer Himmel.

Stille.

Dieser Bildschirm.

Tief im Innern des Bürogebäudes
das Geräusch einer schließenden Aufzugtür.

Gedämpfte Schritte.

Zukunft.

Mit mir,
ohne mich.




Sonntag, 6. Mai 2018

The night

I walked into the night.

A long and lonely walk into the
dark
all by myself.

Curious,
scared,
sad,
yet
determined
I approached
some kinda
final stage.

Expecting no one to be by my side.
No one to be next to me
in the dark.

And then I heard your voice
like silver bells
right next to me,
you looked at me and you were
there.
With your questioning  smile and your boyish blond hair.

The only person who' s there in my final hour:
my beloved son.




Mittwoch, 2. Mai 2018

The Damned

We played soccer.

The Captain' s son and I.

I kicked the ball right into his stomach.

He cried.

I felt guilty.

Poor kid, he was only 10.

Later the Captain left his kids and wife.

That hurt probably

even more.

Life is endlessly cruel,

isn' t it?




Müdigkeit

frisst sich durch die Haut meines
vom vielen Kaffee
zuckenden Gesichts.

Auch im Zustand ermatteter Gleichgültigkeit
kann ich Euch jederzeit
durchschauen.

Dann eigentlich
sogar
noch besser.

Neue Allianzen.

Geheime Treffen.

Lange Telefonate.

Konsequente Strategien.



Macht mal was anders.


Fordert mich heraus!




Frühling 2018

Einer meiner Freunde hat jetzt einen Hollywood-Agenten.

Seine Ex-Freundin einen 2jährigen Jungen mit Adhs, beide warten
darauf,
dass der Vater aus der Psychiatrie kommt.
Trotzdem verdienen sie gut und machen, 
was sie immer schon machen 
wollten.

Meine beiden Kinder sind stark und 
wachsen 
und verlieren zunehmend den Respekt vor mir, 
weil sie spüren, dass
ich irgendwie nicht schaffe, was ich schaffen 
wollte.



Donnerstag, 8. März 2018

Den Todestag

vergessen.

Vor ein paar Tagen.

Mein Vater...

Seine Muskeln, sein Wissen, seine Wärme... vergangen.

Wie auch die Erwartung, dass ich würde
wie er.



Welchen Ort

auf diesem Planeten würdest du sehen wollen,
wenn du wüsstest, dass du in einigen Tagen erblindest?

Keinen,
sie würde nur in ihr altes Viertel gehen und
nach den Menschen sehen, die sie dort
zurückgelassen hat.

Aber es muss doch auch einen Ort geben?

Es sind nicht die Orte, es sind die Menschen.

Und plötzlich kam ich mir alt vor.

Und unbelehrbar jung.

Und dumm.




Sein Traum

war dieses Haus im gehobenen Kleinbürgerviertel,
wo die Kreativen wohnen, mit den Volvos und
Wohnmobilen und den kleinen Werbe- und Grafikagenturen.
"Bevor ich dieses Haus verkaufe sterbe ich, egal wie viel Druck die Bank macht!"

Und nun, vor einigen Tagen
baumelte er am Strick, den er vorher um den
sorgfältig restaurierten
Querbalken
schlug, der
durch die offene Wohnküche führt,
und die oberen Geschosse trägt, wo die
Kinderzimmer
sind.

Seine Ex fand ihn morgens.

Vielleicht ahnte sie all das bereits,
als sie damals mit den Kindern fortzog
ins Villenviertel vor der Stadt.




Schnell, schnell

du fühlst etwas!
Schreib es auf!
Lass es leben, bevor es hinabsinkt in den tödlichen Grund des
Alltags.




Freitag, 29. Dezember 2017

Dezember

Draußen das dröhnende Faltrohr des Trockengebläses, das aus
dem frisch zementierten Luxuswohnblock
führt.

Schneeflockengestöber.

Frühe Dunkelheit.

Parkapassanten.

Motoren.

Winter.




Mittwoch, 27. Dezember 2017

Christmas

betäubt
von der Härte
der Menschen,
starrte ich auf meinen
Sohn, der eine komplizierte Maschine aus
buntem Plastik
zusammenbaute.

Bis seine Mutter ihm riet, etwas anderes zu tun
und er in seinem Zimmer verschwand
hinter einem knappen Bildschirm.

Und der Andere die Frage stellte,
ob heute wirklich der Geburtstag von Gottes Sohn sei
und warum wir ihm dann nichts
schenkten.




Freitag, 8. Dezember 2017

Kow tow

Ich werde mich dir niemals beugen,
nie in deine Augen
fallen, tiefer als der
Bosporus.

Ich werde es nicht zulassen,
dass du schlecht über mich redest,
einspannst für deine
Zwecke.

Ich werde die Nächte vergessen, wie ich vergessen habe,
zu bereuen,
ich werde die langen, geteilten Stunden und Zigaretten
löschen wie
Daten von einer Festplatte.

Ich werde die Orte meiden, die wir aufsuchten, die langen Küsse in den
Hauseingängen
nie wieder schmecken.

Ich werde noch lange an dich denken.

Und ich werde nie nachschauen, wie du aussiehst,
weil es kein Foto gibt, das dich wirklich zeigt.

Aber solltest auch du an mich denken:

Think something sweet of me!




Schnee, früher


In der schmutzigen, engen, hektischen
Innenstadt
fiel das schwere, weiße Wasser
vom Himmel,
schlug auf
vor den Geschäftsfilialen und taute
sogleich, 
ließ den Fluss in der Stadt
anschwellen.

All das interessierte mich.

Ich renne zum Eingang, und der warme Geruch der Pizzeria
umfängt mich, während ich in meinem Parka, nur halb zugehörig
zu solcher Bürgerlichkeit
gebeten werde, Platz zu nehmen,
und zu warten.

Bist Du schon da, kommt Du noch?

Und dann kommst Du in Deiner wattierten, weißen, durchnässten Jacke
Unbeschützt, kaum bemuttert und bevatert ,
wir beide,
eigenständiger, als wir das je sein wollten,
küssen wir uns,
voller Vorfreude auf einen langen Nachmittag
letztgültiger Gespräche im dichten, warmen
Rauch der Selbstgedrehten.

All die Zeit vor uns.

Die nun vergangen ist.

Wo sind wir?

Wo bist du?


Wo bin ich?