Dienstag, 30. Juni 2015

Rom, heilige Stadt

Die Hitze,
das winzige Zimmer,
überall Stein, der in der Sonne glüht.

In der Stadt
reiche, gut gekleidete, junge Menschen.
Und ich immerhin jung.

Ineinanderwehende, weiße Gischtfahnen
der Brunnen,
glitzernd in untergehender
Abendsonne.

Rom,
vor 27 Jahren,
mit den anderen gerade mal
volljährigen Schülern,
jung,
verliebt.

Einmal
täuschte ich Fieber vor, um einer der
endlosen
Exkursionen durch Tempel und Kirchen zu entgehen,
und
du
täuschtest auch Fieber vor.

Den Nachmittag
allein
miteinander
in der riesigen Pension
nahe des Vatikan.

Draußen knackte die Hitze
in
den ewigen Mauern,
die den Hof
säumten.

Wir schwitzten nicht einmal.

Warum wolltest du das?

In den Mittagspausen
schlief ich normalerweise nicht,
wie die anderen,
sondern saß an dem
winzigen Schreibtisch
in meinem Zimmer
und schrieb.

Nackt, in Boxershorts, im Walkman Chopin.

Ich war bei mir.

Das war es, was du nicht
aushalten
konntest.





Montag, 29. Juni 2015

Lobby

Früh morgens um
halb vier in München.

Eine warme Sommernacht.

Breite, leere Straßen.

Die automatischen Türen
zu meinem Hotel
öffnen sich
beinahe
lautlos.

Es kein billiges Hotel,
trotzdem
alles im Stil der
Achtziger.

Dreieckige Stahlornamente,
rot lackiert,
fassen Sicherheitsglas
ein.

Niemand an der Rezeption.

An der kurzen, gekachelten Theke
neben der
Rezeption
spielt laute
Achtziger-Jahre-Musik.

Es ist niemand da.

Ich warte vor den Aufzügen.

Niemand taucht auf.

Die schweren Stahlhocker vor dem Tresen
sind
unbesetzt.

Die
Vergeblichkeit
von
fast
allem.






Samstag, 27. Juni 2015

Wohin

Wohin, wohin,
wohin...
Diese schnurgeraden,
baumlosen
Straßen
in der Bahnhofsgegend
Münchens...

Schwanthaler Straße
Paul-Heyse-Straße
Bayerstraße
Goethestraße

Endlose Wartezeiten an den Fußgängerampeln.

Kontinentalsommer,
Sommergewitter,
Riesige Häuserzeilen
mit Werbeschildern,
die immer schon
da
waren.

Schon in den Sechzigern,
es sah genauso aus, wie jetzt,
taumelte
meine Mutter,
damals eine außergewöhnliche Schönheit,
durch diese Straßen mit den billigen und teuren Hotels,
den vielen fremden Menschen aus dem
Süden und Südosten
des Kontinents,
vom Balkan,
aus Italien,
die hier einen
Anfang suchen,
aber damals wie heute
keinen fanden und
finden werden.

Genau wie
ich.





Freitag, 26. Juni 2015

Coming of age

I tried hard to arrive
in time
to the soccer match of my
eldest son
which took place
in a small park
in the middle of
the city.

But I was late.

He was already on the field.

He´ s seven and not a very good player.

He´ s strong and an athlete but doesn´ t like soccer.

I promised to bring him
something to
drink
and eat.

But I arrived late.

Some boss held me in his company
with stories I´ ve heard
before.

My son´ s mother, whom he has not a good relation to
at the moment,
already took care.

She didn´ t bring anything, but at least she was there
in time.

I watched my boy play.

He lost the ball, didn´ t fight much,
didn´ t run much.

He´ s a loner.

Dislikes the team.

They´ re better than him,
but they´ re also
dumber.

And he knows it.

I was sad and proud.

When the game was over,
he didn´ t come to greet me.

He cooly walked away to the
park´ s
exit.

The little boy in his red sports dress
disappeared under the
green leaves
of the old trees
without turning
his head.

Proud, lonely, free.

My son.





Mittwoch, 24. Juni 2015

Lottmann

Erfrischend
unkompliziert und 
dem Leser zugewandt.

Will er sein.

Warum ist er´ s nicht?

Er traut sich nicht 
jemand 
zu sein.

Er müsste sein
Pseudonym ablegen,
damit sein
wahrer Name zum Vorschein
käme.

Allein,
er hat keins.

Er ist, wer er gar nicht vorgibt
zu sein.

Dennoch:
seine leichte Art,
seine Verletzlichkeit,
seine Suche nach Erfahrungen,
sein amüsierter Blick
auf die leeren Menschen in den Städten
verdienen,
dass man ihn
liest,
nicht 
schmäht.

Entschuldigung.




Alptraum

Tief in der
Nacht,
ich sitze allein
im Wohnzimmer und tippe.

Versunken in Geschichten,
die
niemals fertig
werden.

Eine Tür quietscht.

Kinderzimmer.

Der kleine Mann,
2 Jahre alt,
kommt mir weinend
durch den dunklen Flur
entgegen.

Er hatte schlecht geträumt.

Die blonden Locken nass geschwitzt.

Ich hebe ihn hoch.

Er presst seinen Kopf an meine Schulter,
mein T-Shirt
durchnässt
von seinen Tränen.

Ich tröste ihn,
"Alles wird gut".

"Alles ist gut".

"Es ist alles gut."

Er beruhigt sich.

Das Beben des kleinen Körpers
hört auf und geht über in einen
sanften Schlafatmen.

Behutsam lege ich ihn zurück
in sein Bett.

Draußen startet ein Wagen.

Jemand
ruft etwas.

Mein kleiner Engel schläft.

Er lächelt.

Nie fühlte ich mich
gottähnlicher.

Warum gönnen wir nicht ab und an auch
Gott
dieses
Gefühl?





Dienstag, 23. Juni 2015

Ende

Ein Blitz,
ein Schmerz im Kopf,
ich fall von diesem
Stuhl,
auf den
Parkettboden.

Ende.

Als jemand,
der immer wie ein Fremder
in der
eigenen Welt lebte,
dem alles gelang,
außer den Dingen, die
er wollte,
wäre ich
ziemlich allein
nach dem
Ende.





Sonntag, 21. Juni 2015

Kiss me on the bus

Im Linienbus
unterwegs in der tiefsten
Provinz,
einige Kilometer
östlich
Kölns.

Einfamilienhäuser im hügeligen Grün,
alle gut in Schuss,
obwohl meistens auch schon
mindestens 40
Jahre alt.

Carports,
kurvige Straßen,
Pferdeweiden,
gebräunte
ältere Menschen,
Schüler, die
auf Smartphones
starren.

Eine hübsche, blonde,
Berufsschülerin
aber nicht mit
Modelfigur,
kommt ins Gespräch
mit einem ehemaligen
Mitschüler,
sie hatten sich seit ihrer
gemeinsamen Schulzeit aus den Augen verloren.

Er trägt ein T-Shirt mit Strabag-Aufdruck,
wirkt solide, hat einen guten Humor,
rötliche Haare,
starke Arme.

Sie reden ohne Unterlass.
Sie bringt ihn zum Lachen,
er blickt sie
bewundernd an.

Alle anderen im Bus hören auf zu reden.

Jedem ist klar, dass die beiden
für immer
zusammen gehören.

Nur ihnen selbst
nicht.

Dann steigt er aus.

Ihr leises
"Tschüss".





Samstag, 20. Juni 2015

Geschlechterdifferenz

Geschlecht sei ein
soziales Konstrukt,
heißt es,
und schreibt es
quasi
eine auf der Seite des
Familienministeriums
nachzulesende
Richtlinie europäischer
Gesetzgebung
vor.

Wäre das nicht wunderbar, könnte man den
Mann
durch ein wenig
Erziehung
erlösen
von seinen herausragenden
Grundeigenschaften
Beherrschen,
Erschaffen,
Töten?

Stattdessen ihn etwas sanfter,
verständiger,
sozialer,
lösungsorientierter
machen?

Nun scheint es aber,
dass die Frauen
so
werden sollen,
wie man
es den Männern
nachsagt.

Wir alle werden Tiere.

Das ist die Lösung.





Freitag, 19. Juni 2015

Vorsatz

Ich sollte jene die mir alles bedeuten,
stärker schützen, indem ich
öfter schweige.

Oder so werden, dass Schweigen nicht
nötig ist.

Dann müsste aber die Welt sich ändern.

Und das wird sie nicht.

Ich rede weiter
und versuche,
alles wieder
gut
zu machen.





Donnerstag, 18. Juni 2015

Solution

I piss off my boss,
I piss off my landlord,
I piss off the teachers of my sons.

Why am I like that?

Seems I' m not satisfied with my life.

It' s too easy.

And too difficult.

And I don' t deserve
all those rewards.

I' d rather run.

Take my wife,
my boys
and run.

From myself.

Just like my
crazy
mother did
all of her life.





Mittwoch, 17. Juni 2015

Batdance

Wir leben
um der Zukunft zu
opfern.

Es ist Wahnsinn.

Die Dichter
früher
konnten
müde abwinken,
wenn sie es
beschrieben.

Und vom Sinn
schreiben, der im Hier und Jetzt gesucht werden sollte.

Das ist nun vorbei.

Wir müssen Geld sammeln,
für das
ewige
Leben.





Wo ich aufwuchs

hatte jede Familie
ihr eigenes Haus.

Jeder wollte ein Haus, weil viele jung
den Krieg
erlebt hatten und
den
totalen Verlust
von
allem.

Anfangs waren die Eltern
schön, stolz, aktiv.
Später begann ihr
vorzeitiger
Verfall.

Einige starben.
Krebs.
Alkoholismus.
Verkehrunfall.
Selbstmord.

Ihre Töchter und Söhne
nach außen stolz und klug,
aber innerlich waren
- wir -
krumm und
verrückt.

Unsere Kinder sollen es einmal
besser
haben.






Dienstag, 16. Juni 2015

Dinosaurier

Ich war mit meinem jüngsten Sohn in einer Wohnung,
seltsam groß, hell, freundlich,
der kleine Blondkopf erklärte mir,
was
die Feuerwehr
alles kann.

Ich schaute ihn dabei
an, hörte zu und lief
rückwärts weiter,
bis
zum Ende des Gangs,
der dort in einen
Raum
mündet.

Der Kleine lief mir nach, plapperte
und lachte.
Plötzlich blieb er stehen und ich wusste nicht
wieso.

Jemand schlang etwas
von hinten
um meinen Hals, ein
Strick, ein Schal oder etwas in der Art und
drückte
sofort
kompromisslos zu.

Es ging darum,
mich auszulöschen.

Ich war völlig überrumpelt,
aber geistesgegenwärtig genug,
ein paar Schritte nach hinten
zu machen,
um dem Druck
entgegenzuwirken
und nicht zu
sterben.

Der Kampf dauerte und der
Vernichtungswille
der Person hinter mir
schien
größer als mein
Überlebenswille.

Ich sah meinen Kleinen, der
weinte und ich versuchte,
nicht zu
sterben.

Als ich erwachte,
war ich nass
geschwitzt.

Es war schon später Morgen, ich musste los.

Ich kippte das Fenster.

Die Bäume rauschten.

Die vielen großen und kleinen
Vögel
mit ihrem hässlichen lauten
Geschrei,
klangen mehr denn je wie
Nachkommen von
Dinosauriern.

Ich dachte kurz daran,
dass über deren Aussterben
nur
Theorien
existieren.

Niemand weiß wirklich,
woran sie
starben.





Montag, 15. Juni 2015

Spiteful - almost

I give up
in the present.

Plan revenge
for the future.

Looking back at my
past
it was easier to
forgive

and move
on.





Sonntag, 14. Juni 2015

Rätsel

Auf der großen,
hügeligen Liegewiese
am Weiher.

Ein praller Sommertag.
Gewimmel, Gepose, Geliege.

Drei arabisch aussehende junge Männer
kommen an,
ziehen sich die T-Shirts über den Kopf, sie sind
durchtrainiert,
Sixpacks, definierte Arme,
aber nicht wie Bodybuilder sondern
elegant.
Sie stellen sich in einem Dreieck auf,
nah beieinander
und beginnen, einen Fußball umher zu kicken,
Ziel des Spiels ist, dass der Ball
in der Luft
bleibt.
Sie stoppen den Ball mit dem Spann,
werfen ihn mit dem Fuß rückwärts
über Kopf
dem Nebenstehenden zu
und hören mit solchen Tricks ca.
eine halbe Stunde lang nicht auf.

Sie sprechen nicht.

Dann legen sie sich eng nebeneinander auf eine Decke
ins Gras und reden wenig.

Eine blonde Frau,
älter als die drei Jungs,
weniger sportlich,
mit Nasenpiercing,
taucht auf, wechselt einige Worte
mit ihnen und bleibt
neben ihnen
stehen.

Die Jungs liegen und schweigen.
Die Frau steht neben ihnen,
ab und an
schaut sie auf die Uhr.
Ca. eine Stunde lang,
ohne ein Wort an die Jungs zu richten.

Dann stehen die drei Jungs auf und gehen.

Sie folgen der blondierten Frau,
die sich langsam und unentschlossen
Richtung Innenstadt
bewegt.





Wolken

Ein großer Schreikampf,
wer es
besser mache
mit der Kindererziehung,
mit dem Essen kochen,
mit der Organisation,
dem Leben.

Genervt und erschöpft
fuhr ich ins Gemeinschafts-Büro, wo
ich sonntags normalerweise allein bin,
mir jedoch
ein junger Cutter eröffnete,
er arbeite heute hier,
er könne gerne Kopfhörer tragen.

Ich ging wieder und
er wunderte sich.

Hätte ich ihm erklären sollen,
warum ich nicht in einem
engen Raum
dicht neben ihm sitzen will,
während ich dies schreibe?

Er hätte es nicht verstanden,
weshalb er möglicherweise
der falsche Mann ist, für
welche künstlerische
Aufgabe auch immer
er dort
erledigt.

Es fühlte sich gut an,
in einem Konflikt sofort kampflos
zu verlieren.

"Don´ t try".

Ich fuhr mit dem Rad und der schwarzen Laptop-Tasche durch die
summende,
sommerliche
Stadt, auf der Suche nach einem Platz, wo ich
sein
könnte.

Ich legte mich auf eine Wiese,
um mich herum hunderte,
tausende junger Menschen,
engagiert in sommerlichen Aktivitäten wie
Frisbee spielen,
Fußball spielen,
Volleyball spielen,
küssen,
sich präsentieren.

Ich lag auf dem Rücken und schaute in den
Himmel.

Ich lag bestimmt zwei Stunden da
und beobachtete,
wie sich in einem klaren blauen Himmel,
immer mehr Wolken bildeten.
Kumuluswolken,
die fedrigen weißen,
die, wenn sie sich bilden, unaufhörlich
Wasserdampffahnen abgeben an benachbarte
Wolken,
die sich schnell verändern,
aber dennoch immer auch für einen
Moment eine
Gestalt
haben.

In den sich ablösenden Fetzen
sah ich Gesichter, Tiere, Fratzen, belebte Formen aller
Art,
wie alle Menschen sie sehen.
Kinder sehen meist Elefanten,
Frauen
Blumen.

Nur mir gelang es nicht,
auch nur eine einzige freundliche Gestalt
Form werden zu lassen.

"Etwas muss passieren,"
sagten die
Wolken:
"Try".





Frau und Bagger

Der Kopf am Baggerarm sah aus wie ein
riesiges, sich rasch windendes, Beute ausweidendes,
stählernes
Dinosauriermaul.
Er fraß große Stahlbetonstücke aus einem 60er-Jahre-Bau.
Die gesamte Hauswand des
abzureißenden Baus
schwankte bei jedem Biss.

Weiß zischte Wasser neben dem
Abrisskopf
aus Schläuchen,
um die Staubentwicklung
zu minimieren.

Es war ein Spektakel.

Väter mit ihren Söhnen auf den Schultern blieben länger stehen
als die Söhne wollten.

Junge Frauen mit Piercings und Sommerkleidchen hasteten
vorbei und
würdigten die harten Malocher mit ihren
irren Maschinen, die letztlich ja nichts anderes taten,
als den zarten weiblichen Wesen neue,
exklusiv-urbane Wohnfläche
neben ihren
Lieblings Latte-Macchiato-Boutiquen zu schaffen,
keines Blickes.

Höchstens ein mitleidiges Lächeln zu den unerwachsenen
Vätern und ihrer ewig
kindlichen Begeisterung für
schweres Gerät
war drin,
an diesem Sommerabend.

Es muss schon die totale Vernichtung kommen,
alles niedergebombt werden,
jedes Gebäude ausgebrannt und
eingerissen werden,
alle Männer getötet oder verwundet werden
bis auch die Frauen sich mal bücken und
ein paar Steine schleppen.





Freitag, 12. Juni 2015

Im Zug

Im Zug die Augen
geschlossen,
auf dem Weg
irgendwohin.
Jenseits dunklen Spezialglases
- der deutsche Sommer.

Ob ich in diesem Leben noch einmal Teil des
Sommers
werde,
wie in meiner Kindheit?

Das Knacken der Hitze,
tief im trockenen Gras,
der Ginster juckt,
Grashüpfer in der Hand?

Allein in kurzen Hosen
tief im Wald,
dunkler, dichter Tannenwald,
tief unten ein kühler, dunkler
Bach, der mit mir
spielt.
Matsch,
Knacken,
Schrecken,
ein rares Tier,
kauern,
eins mit allem
geschützt vor der Hitze im dichten
grün-schwarzen Dunkel.

Langsam wuchs das Ich.

Langsam wuchs die Einsamkeit.





Donnerstag, 11. Juni 2015

The band

He paid the price and
earned 
double.

I chickened out
and got into 
trouble.





Zeit

Eisig helle
Sonne
knallt auf den
Stein der Stadt.

Jeder scheint ein Ziel
zu haben,
dem er in
hastigem Gehorsam
zustrebt.

Eine Ahnung,
wie es sein wird,
wenn der
Tod nicht mehr
das Ende
ist.





Dienstag, 9. Juni 2015

Wartebereich

Im Wartereich der
Notaufnahme
im Urban-Krankenhaus.

Der türkische Müllmann,
in Berufskleidung,
der seine ganze Familie dabei hat.

Sein Gesicht grau vor Schmerzen,
irgendwas am Bein, er kann kaum gehen.

Die Frau hinter der dicken Glasscheibe mit der
Gegensprechanlage
versteht seinen Namen nicht.

Immer wieder muss er buchstabieren.

Aber sie versteht nicht, wenn er
buchstabiert.

Er ist verzweifelt.

Sie kann seinen Namen nicht aufnehmen.

Die blonde, ältere Berlinerin auf ihrem
Bürostuhl mit der orthopädisch
korrekten Lehne
hinter der Glasscheibe
ist
genervt.

Ob jemand übersetzen könne?!

Jahrzehntelang hat er den Müll dieser
Stadt
entsorgt.

Unseren Müll.

Ihren Müll.

Die schweren Tonnen aus den mit Kinderwagen vollgerümpelten
Hauseingängen
raus gewuchtet,
in den Müllwagen entladen.

Bei jeder Temperatur, bei jedem Wetter, bei jeder Verkehrslage.

Da hätte er doch,
schon aus Dankbarkeit,
wenigstens perfekt Deutsch lernen können!





Game of thrones

Es ist egal,
welchen Geschlechts
du bist.
Es ist egal, welcher Herkunft
du bist.
Es ist egal,
woran du glaubst.
Es ist egal,
wie du deine Ziele erreichst.
Es ist egal,
wie viel Blut du vergießt.

Es geht um Macht.

Das ist die Botschaft.

Der Dramaturg lehrte uns:
das Ziel eines großen Werkes sei
stets,
eine Botschaft zu vermitteln,
die das Publikum
eigentlich ablehnt.

Angeblich ist
"Game of thrones" ist die erfolgreichste Serie der
Erde.

Dies ist der Mythos, der den
Mythos von der Vergebung
endgültig
eliminiert.





Montag, 8. Juni 2015

Juniregen

In den Neunzigern.

Mitten in der Nacht,
ich war auf dem Fahrrad unterwegs.

Menschenleere Straßen,
es war schwül und nieselte.

Das junigrüne Laub,
die orangen Straßenlaternen
der Millionenstadt.

Außer Atem
und durchnässt hielt ich an der
Kreuzung Innere Kanalstraße/Venloer Straße.

Du standst an der
Ampel
ebenfalls
wartend.

Wir hielten uns beide am Ampelmast fest.

Ich sagte "Hey"

Und dann hast du mich
geküsst.

Und geküsst

Und geküsst.

Bis die Ampel grün war.

Du bogst rechts ab.

Ich überquerte die Straße.



Das war der Fehler.





Samstag, 6. Juni 2015

Gewitter

schwere Schwüle lastet über der
Stadt.

Mitten in der Nacht kehre ich heim.

Alle schlafen.

Es ist immer noch so heiß wie
tagsüber.

Ich denke nach, was ich noch machen könnte.

Schreiben
oder
fernsehen
oder
lesen
oder
essen.

Es wird ein wenig von allem.

Das ist mein
Leben.

Ich brenne für nichts.

Blitze,
aber kein Donner.






Freitag, 5. Juni 2015

Homo Ehe

2010 gab es laut Wikipedia in Deutschland
63.000 Lebenspartnerschaften gleichgeschlechtlicher Menschen.
34.000 eingetragene Lebenspartnerschaften wurden 2011 gezählt.
Man kann davon ausgehen, dass diese Menschen gerne heiraten
wollen.

Wenn man großzügig ist und sagt,
naja,
80.000 Menschen, die in Homo-Ehen leben wollen, werden durch ein entsprechendes Gesetz wohl
gleich gestellt,
dann diskutieren
Feuilleton, die Talkshowmenschen,
das ganze Land
über die Rechte von
0,1 Prozent
der Bevölkerung.

0,1 Prozent.

0,1 %.

0, 1.

Es kann nicht so schwer sein, ein Gesetz zu erlassen,
dass die Diskriminierung von
0,1 %
der Bevölkerung
beendet.

Bitte dieses Gesetz beschließen.

Und dann schnell wieder nachdenken über
660.000 allein erziehende Mütter oder Väter mit rund einer Millionen Kinder,
202.000 Asylanträge,
über eine Millionen Kinder, die unter der Armutsgrenze leben,
das Land mit den wenigsten Geburten pro Kopf
der Welt,
etc.

Und natürlich auch:
3 Milliarden Euro Ausgaben für Tiernahrung.
1 Milliarde für Kindernahrung.





Donnerstag, 4. Juni 2015

Boat people

In den Achtziger Jahren
kamen einige hundert sogenannte
boat people
in unser Provinzdorf.

Viele Menschen aus der Region halfen den beeindruckend bescheidenen,
tüchtigen, klugen
Vietnamesen.

Wohnungen wurden besorgt, Kleidung, Wörterbücher, damit die Vietnamesen Deutsch lernen konnten,
schließlich wurden
gemeinsame Feste
veranstaltet.

Einige Flüchtlinge blieben in der Region, machten Karriere.
Leiteten z.B.
eine Bank.

Andere verließen die Provinz Richtung Großstadt,
wurden schwul, deshalb von ihrer Familie verstoßen
aber
glücklicher
als unter einem kommunistischen Regime
in Ho-Chi-Minh-Stadt.

Viele Dorfbewohner hielten den Kontakt zu den
mittlerweile perfekt integrierten
Flüchtlingen.

Die Dorfbewohner hatten etwas Gutes getan und waren darüber
für den Rest ihres Lebens selbst
erstaunt.





Mittwoch, 3. Juni 2015

RAF

1977 war ich neun Jahre alt.
Heimlich schaute ich Nachrichten, wenn meine Eltern
glaubten, ich sei
im Bett.

Immer wieder das Bild des dicken Mannes,
hinter ihm ein Stern und ein
Gewehr.

Er sah traurig aus, und man sah ihm die Angst an.

Der Nachrichtensprecher versuchte neutral zu sein,
seine Stimme war trocken und sachlich wie die des richtenden Schicksals
selbst.

Alle redeten darüber.

Niemand glaubte an ein gutes Ende.

Es war ein warmer Frühherbst und wir Kinder draußen spielten
RAF.
An den endlos langen Nachmittagen im Wald und auf den von Dornensträuchern
umstandenen
Heidelichtungen.

Wir hatten Holzgewehre und taten so, als wären es echte Gewehre,
wie die auf den Bildern.

In den Siebzigern waren die Kinder sich selbst überlassen,
man glaubte an an das prinzipiell Gute in ihnen und dass sie
von Natur aus kreativ seien.

Die einen in waren die Coolen,  die Bösen, die RAF
und die mussten die Uncoolen fangen, den Dicken und seine Freunde.

Wenn sie sie gefangen hatte, durften sie die Uncoolen
fesseln und
ein wenig
quälen.

Alle sagten, der Dicke war böse und hatte verdient,
was ihm passierte.

Ich hoffte, dass er nicht starb,
abends
betete ich für
ihn.

Was Kinder so machen...

Als ich nach ein paar Wochen meine Eltern fragte, was
mit ihm passiert sei, wichen sie aus.
Da wusste ich: sie hatten ihn umgebracht.

Die Mörder kamen mir vor
wie die bösen Kinder,
nur mit
echten Gewehren.

Der Dicke tat mir unendlich leid.

Später dann, als ich erfuhr, warum die Coolen ihn geschnappt hatten
- eine Zeit lang -
nicht mehr.



Dienstag, 2. Juni 2015

Fieber

Ich war fünf Jahre
und hatte hohes Fieber.

Meine Eltern waren eher
sorglos,
was Kinderkrankheiten betraf.

Ich wälzte mich in meinem Bett und wussten nicht mehr,
was
wirklich
war und was
nicht.

Ich drohte,
von einem unendlich tiefen Tunnel verschluckt zu
werden.

Ich kam nicht raus.

Ich rutschte tiefer rein.

Niemand war da, um mir zu helfen.

Ich schrie.

Meine Mutter kam, sie hatte Angst um mich,
gleichzeitig
Angst,
diese Situation
nicht bewältigen
zu können.

Sie tröstete mich nicht,
sie trieb mich tiefer in
den tiefen, schwarzen,
tödlichen
Fiebertunnel.

Sie floh, weil ich nur noch schwach atmete.

Mein Vater musste in meinem Zimmer schlafen.

Das hatte er noch nie getan.

Er tat es nicht gern.

Ich lag auf einer Matratze,
er in meinem Bett.

Das Fieber stieg.

Er schlief ein.

Ich lag in einem engen, dunklen,
viereckigen Raum und langsam und
mit einem leisen Dröhnen senkte sich die
Decke des Raumes auf mich hinab
um mich zu zerquetschen.

Ich war bereit.

Unendlich weit entfernt
hörte ich das Schnarchen meines Vaters.

Ich weinte
schwach.

Ich war beinahe weg.

Als die schwarze Decke
fast auf mir war,
strich mir mein Vater über die Stirn.

Er war ruhig.

Er gab mir etwas zu trinken.

Ich überlebte.





Montag, 1. Juni 2015

Aufgeben

Schwer vorstellbar,
dass all dies lösbar ist.

Warum sich damit beschäftigen?

Um was zu verhindern?

Und hatten jene, die
seinerzeit
wussten,

irgendetwas

verhindert?