Montag, 28. September 2015

Mother reloaded

...und liege dann
nach einer komplett durchwachten Nacht
- der Blutmond -
gegen 11 immer noch im Bett,
nachdem ich um halb acht die Kinder zu versorgen hatte,
gebe mich Tagträumen und einer
altogether
anderen Welt hin, als mein Handy, das auch Wecker ist,
klingelt.

Ich blinzle aufs Display:
mein Bruder.

Beschließe, ihn später zurück zu rufen.

Er hinterlässt keine Nachricht, was ungewöhnlich ist.

Vielleicht ist Mutter gestorben.

Ich denke an meine Zeilen von vor ein paar Tagen.

Denke aber auch an die Telefonate, die ich die Kinder mit ihr habe machen lassen,
weil sie sie nun mal nicht selbst anrufen will.
Sondern angerufen werden will.

So, wie sie auch niemals besuchen kommt, sondern besucht werden will.

Freue mich über den Rest versöhnlicher Kraft, den ich aufbrachte.

Und würde, wäre sie wirklich tot,
weinen.

Das immerhin fand ich heraus.

Heute morgen.









Sonntag, 27. September 2015

Flüchtlinge, Flüchtlinge

...wie kann es sein, dass
ich bislang nur einen von ihnen in der Stadt sah, aber
Millionen
in den Nachrichten?

Wenn sie die neue Realität sind,
lebe nicht eigentlich ich
wie ein Flüchtling?





















Donnerstag, 24. September 2015

Dieses Netz

eingewoben
in vollkommen rätselhafte
Alltagsgeräusche:
das Rauschen der Züge,
das Summen und Klickern des Kühlschranks
ein Auto auf regennasser Straße 
unten,
warte ich, dass 
etwas passiert.

Ein menschlicher oder tierischer Laut.

Es bleibt bei meinem
Nasehochziehen.





Sonntag, 20. September 2015

Danke, Mutter,

für deine völlige Verständnislosigkeit meiner Lage.
Danke, dass du sämtliche Versöhnungsangebote ablehnst,
und mit der Aggressivität eines Wespenschwarms die
Provokation und den Streit suchst, um den ganzen Hass auf dein
beschissenes, von falschen Werten bestimmtes Leben bei
mir abladen zu können.

Ja, ich weiß.

Es ist Teil deiner Krankheit.

Die du negierst, wenn ich sie erwähne, jedoch sofort geltend machst, wenn
ich behaupte, dir ginge es doch gut.

Borderline Syndrom, unheilbarer als Krebs.

Verwandelt Menschen in totalitäre Monster.

Ohne Rücksicht schreist du mir in unflätiger Sprache deinen Hass entgegen und forderst gleichzeitig Mitleid
dafür ein,
dass du dich so entwürdigend und verletzend aufführst.

Heute hast du während des sonntäglichen Telefonats, inmitten des üblichen, emotionalen
Tsunamis in höchster Lautstärke, die zu erwidern mir heute die Kraft fehlte,
immerhin zum ersten Mal gesagt, "Ich liebe euch doch".

Du meintest deine Söhne.

Nicht deine Enkel, nicht unsere Frauen, die du mit Inbrunst hasst und verfolgst.

Trotzdem danke.

Vielen Dank.





Rückkehr

Wir kamen aus der schmuddeligen Pizzeria nicht raus.

Die Bedienung war weg,
niemand konnte Geld entgegen nehmen.

Es war Abend, der Laden war leer. Nur wir waren da.
Die Kinder waren unruhig.

Auf dem Boulevard vergnügungswütige
Nachtschwärmer.

Feiervolk.

Aus dunklen Wolken begann
es zu regnen.

Die Tür zum Boulevard stand weit offen.

Der Kleine sagte:
Was wenn der Regen hier rein kommt und wir ertrinken?

Ich konnte ihn mit wenigen Worten beruhigen.

Endlich kam die Bedienung zurück.

Ich überlegte kurz, was sie gemacht haben mochte.

Auf dem Klo war sie nicht.
So, wie sie aussah: jung, etwas zu sehr strahlend,
dunkle Haare, schlank, abenteuerlustig:
Sex oder Drogen.

Wir eilten zwischen den ersten Tropfen hindurch nach Hause.

Die Frau, ihrer beiden Mutter, war beinahe zwei Wochen weg gewesen.

Wir wollten ihre Ankunft nicht verpassen.

Plötzlich schrie der Kleine auf, als er sah, dass oben in der Wohnung Licht anging.

"Mama! Mama!" Schreie hallten über die Straße.

Sie stürmten die Treppe hoch.

Ich war unten, um ihre Fahrzeuge zu verstauen und sprach kurz mit dem
Wohnungsgeber, der dort etwas baute und den ich nicht einfach stehen lassen konnte und
wollte.

Eine gestohlene Minute, in der nicht passierte,
was vorgesehen ist,

Dann schrie der Kleine meinen Namen
ins Treppenhaus.

Ich lächelte.

War es zu viel Glück für ihn allein oder spürte er, dass
etwas nicht ganz
stimmte?





Freitag, 18. September 2015

130 Seiten

deines neuen Romans
sind nun fertig,
sagst du.

Ich spüre, wie sehr dich ärgert, dass ich nicht frage, wovon er handelt.
Ich frage, wovon er handelt und vergesse es
sofort wieder.

Nachts dann der Gedanke,
dass ich darin vorkommen könnte.

Es wäre schlimm, als widersprüchlich, zerrissen und unehrlich geschildert zu werden.

Noch schlimmer wäre das Gegenteil.

Von manchem Menschen
möchte man
nicht
beurteilt
werden.

Zum Beispiel
von mir.





Le père

wie kann ich mein
eigen Fleisch und Blut anschreien und verwünschen?

Und
wenige Minuten später
summe ich die beiden
in den Schlaf,
webe sie in einen Kokon aus
Harmonie, leiser Freude und
Frieden.

Ich liege zwischen ihnen,
auf dem kalten Boden,
sie auf Matratzen.

Die Mama ist weg.

Sie greifen beide nach meinem Arm
bevor sie einschlafen.

Dann atmen sie leise und gleichmäßig und ich küsse sie
auf die strubbeligen Haare und schleiche mich aus dem
Zimmer.





Samstag, 12. September 2015

Poesie

Leben
angesichts des
Todes
verdichtet
in Sprache.

Wenn der Tod nun
bald schon
wegfällt...

Man wird die Zukunft besingen
aber nicht,
wie einst
Kerouac,
voller
Euphorie.





Erhabene

Du bist groß, blond,
stark,
eine aufrechte, ehrliche Frau,
jünger und stärker als ich,
leider allerdings etwas
unnachsichtig.

Alles musstest du dir erkämpfen,
kein Bonus für
Lieblichkeit.

Nordisches Gesicht, Adlernase.

Wir hatten und haben nur wenige
Überschneidungen.

Chaqu´ un pour soi.

Eine angenehme Übereinkunft.

Dann waren alle weg und ich träumte im Tiefschlaf eines freien Morgens
im Bett,
im Hellen.

Eine Besprechung,
der ich widerwillig folgte,
arrogant und abwesend wie ein
gelangweilter
Herrscher,
auf einer Couch italienisch kubischen Stils
in bordeaux,
am Fußende
liegend.

Jemand griff mich mit Worten an.

Es kümmerte mich nicht.

Da kamst du zu mir auf die Couch und unvermittelt nahmst du meinen
Kopf und legtest ihn
an deinen.

Ich war geborgen, bei dieser ruppigen Frau.
Du warst schwanger zu diesem Zeitpunkt.
Alle wussten es und sahen was du tatest:
ein stummer Skandal.

Ganz
amüsant.

Ich erwachte und wunderte mich und spürte, dass da etwas war, das ich gar nicht
gespürt hatte.

Bislang.

Ich fuhr zur Arbeit.

Außentermin.

Wir standen in einem Einkaufszentrum
draußen vor der Stadt und überwachten den Fortgang
der Dreharbeiten.

Wir begrüßten uns mir dem üblichen Küsschen links, Küsschen rechts.

Und dann gingst du weiter und streiftest im Abschied tatsächlich unanständig langsam
mit deiner Hand meinen Arm.
Jemand sah das und wunderte sich,
du warst ja glücklich schwanger.

Wir werden uns sobald nicht mehr sehen.

Vermutlich nie.

Du wirst ein Kind haben und dein Stolz wird wachsen,
und ich werde an den Tag denken,
als ein Traum ins Leben ragte wie eine
schillernde, heitere Blase,
in der ich
kurz
wandelte,
mit dir.





Unberechenbar

Ich zog hinaus und wollte
Selbstverwirklichung.

Ich bekam Geld und wurde ein wenig
korrupt.

Bequemlichkeit besiegte leider
Narzissmus.

Ich gab mir Mühe und pflegte den Narzissmus und wurde
unerwartet beschenkt
mit selbstloser
Liebe.

Verwirrend.

Dann nahm ich eine Prise Ruhm.

Als man mich zu kennen glaubte und mit Geld locken wollte,
entschied ich mich
zu meinem eigenen Erstaunen
für die
Ungewissheit.

Das führte zu Zorn.

Man hatte mich anders eingeschätzt.

Es machte keinen Sinn.

Arm und dumm
bin ich
zu unberechenbar,
selbst
für mich
selbst.





Höflichkeit

ist eine Distanzwaffe.

Ideal für
Trennungen,
den finalen
Dolchstoß.

Auch gerne mal ins eigene Herz.

Bitte keine Gefühle.

Die nehmen wir mit.

Lagern sie ein.

Werden wunderlich.

Ein Zucken im Gesicht,
das sich nicht mehr abstellen lässt.

Ein Blutdruckmesser am Oberarm, der
immer dran
bleibt.

Ich mag Höflichkeit.

I can only be
touched

by
benignity.








Samstag, 5. September 2015

Regen, Regen

willkommen!

In dichten
Schwaden vertreibst du den Schweiß und das
Gleißen
des dummen Sommers.

Hülle mich ein
in
die Nacht,
schwarz,
leer,
frisch.

Bring die Erinnerung an die Nächte...

Wir in der warmen Wohnung, dem Bett, das wir nicht mehr verlassen,
außer um Alkohol zu holen und
Zigaretten.

Niemals war ich freier
als in jenen Regennächten,
trunken
vor
Leben.

Es
bleibt
Regen.