Sonntag, 23. September 2018

Schmerz

Nahe der Ohnmacht,
schwitzend,
absolut alleingelassen
rase ich durch die Stadt.

Mein Schädel droht zu platzen.

Meine Sicht verschwimmt, Autos rasen vor mir, neben mir, über mir.

Ich hab' eine Stunde.
Werde ich es zum Zahnarzt schaffen, um die opiumhaltigen Schmerzstiller zu bekommen?
Werde ich meinem Kleinen das Fahrrad rechtzeitig bringen,
damit er zum Kindergeburtstag kann?
Werde ich rechtzeitig die neuen Werbespots geschrieben haben, auf die
10 für mein finanzielles Überleben wichtige Menschen warten, in diesem Augenblick, in
500 km Entfernung, alle abhängig von dem, was mir gleich einfällt,
wenn ich diesen höllischen Schmerz
abgestellt habe?

"Diesen höllischen Schmerz abstellen", denke
ich.

Abstellen.



Kunstgeschichte

"Ich bin jetzt Teil der Kunstgeschichte",
sagst du und schaust mich an aus deinen
tiefblauen, tieftraurigen Augen und trinkst einen Schluck
Kräutertee.

Die Haare weiß, sehr kurz,
am Hinterkopf bereits ausgefallen.
Wie bei deinem Vater, der dich,
als du noch schwarzes Haar hattest,
das du lang wachsen ließt,
mit hartem Militärgriff im Nacken packte und übers Klo
zwang,
um mit einer Haushaltsschere
deine Mähne zu kürzen, während Du weintest und fluchtest und deine Mutter
irgendwo im Hintergrund
hysterisch schrie,
was sie ohnehin meistens
und meistens
ohne besonderen Grund
tat.

Dein Sohn, jetzt 16, kann kaum schreiben und liest nicht, sagst du.
Er floh aus dem Internat, nach nur
2 Tagen.

Deine geschiedene Frau, eine blutsaugende, psychotische, anmutige,
ungleich talentiertere Person als du,
hat ihre Kunst
aufgegeben.

Deine Fotos zeigen meist schwarz weiße Ansichten von
zersiedelten Gegenden, Häusern, in denen
sich solche Geschichten nun mal
abspielen.

Aber Du bist nicht mehr Teil dieser,
ihrer,
seiner,
meiner-
ja nicht einmal
-deiner Lebensgeschichte.

Du bist sicher.

Du bist Kunstgeschichte.




Fantasy Land

Dein ernster Blick
unter Blondschopf
in der
Warteschlange.

Ohne Angst
mit Skepsis
und manchmal Freude
gehst du allem entgegen,
was dich interessiert,
während du alles andere
mit unbeugsamem Willen
und letztgültiger Verachtung
meidest.

Wenn es sein muss, auch
regelmäßige Mahlzeiten.

Ich möchte sehr lange leben, um deine Reise
mitzuerleben, Sohn.

It' ll be a blast!