Dienstag, 21. Juli 2015

Das Ende

im Magen schon seit Monaten ein
verdächtiges Ziehen
und ständige Schmerzen.

Ich kann nun beinahe nichts mehr essen,
ohne dass ich leide.

Meine Großmutter starb an Magenkrebs.

Ich hab´ diese Magentabletten aus der Apotheke
probiert.

Auf dem
Beipackzettel
stand:
wenn es zu Unregelmäßigkeiten wie
(diverse heftige Nebenwirkungen)
kommt,
dann unbedingt einen Arzt
aufsuchen.

Ab morgen bin ich im Urlaub.

Diese drei Wochen könnten entscheidend sein.

Aber ich kann nicht die ganze Zeit arbeiten
und jetzt kneifen,
nur weil ich vielleicht
sterbe.

Die Familie braucht Urlaub mit mir.





Samstag, 18. Juli 2015

Hitze

heiße, feuchte Flecken,
auf der gestressten Haut, die nachbrennen,
Müdigkeit durchdrungen
vom
Gesumm der
Insekten
in Lampen.

Kurz vorm Verglühen.

Eine Ahnung
wie es in den Tropen wäre,
die Nähe von Fäulnis und
Gleichgültigkeit.

Jugend,
die taumelt und grölt und
nicht spürt, was mit ihr
passiert
unten auf der Straße
und weiter taumelt
in den Abgrund
Ewigkeit.





Absolution

is out of the question.

I yelled at her.

Like a true man.

Said many unfair things.

Like a true man.

The kids cried. I yelled at them.

Like a true man.

I just hope,

they all forgive

me.

I don' t wanna lose them.

I love them.

If family is war -

why can' t I be Gandhi?

But then again... didn' t his actions lead to separation and independence?

I' d rather stay

in prison.

And yell every once in a while, once a year.

Like a caged animal.





Dienstag, 14. Juli 2015

Prominent

Die Dreharbeiten liefen wie gewohnt
schleppend.
Ich saß in einer
Bäckerei
mit meinem affigen
Notebook und las irgendwelches Zeugs.
Du brauchtest mich nicht am Set.
Wozu ein Autor am Set?

Es geht schließlich nur um ein
mehrere Millionen Euro teures
Unterhaltungsprodukt und deine
Karriere.

Ich verabschiedete mich höflich vom Team, wollte dich nicht stören
und fuhr
die Rolltreppe hoch.

Unten standst du, bereit für die nächste Szene, in der Hand eine Babytrage mit Baby und riefst
mit deiner ergreifend
klaren Stimme:
"Gehst du schon?"

Ich nickte. "Läuft doch alles gut!
Steht dir übrigens gut!"
Ich meinte das Baby, du hast ja kein eigenes und sprachst immer wieder davon,
wie das wäre.

Du lachtest kurz, schütteltest dein dunkles, volles Haar,
schautest kurz traurig zu Boden und wieder hoch, wo ich in
Richtung Glasdach in
dieser seltsamen Kaufhauslocation verschwand und riefst dann noch:
"Wird schon, wird schon!"

Wer bin ich, dass ich jemandem so nah sein kann,
der mir so fern ist?

Wer bist du, dass du jemandem so nah sein kannst,
der dir doch so fern ist?





Montag, 13. Juli 2015

Beerdigung

Im Auto, nachts,
die Straßen nass,
unter den schützenden Platanen,
Lichter der Kneipen spiegeln sich auf dem
nassschwarzen Asphalt.

Du hattest mich hier nie besucht,
Papa,
außer um zu helfen bei der Renovierung
der Wohnung,
in die ich damals mit
der Frau
zog.
Und bist morgens immer früh aufgestanden, wolltest
uns zeigen, wie man früh aufsteht und Dinge regelt, bevor der Tag
beginnt
und kamst mit leeren Händen wieder,
da hier
außer der Bäckereien
alle Geschäfte erst um
10 aufmachen.

Und bist nun schon länger tot.

Nie werden wir in einem Café sitzen,
nie wirst du meine Kinder auf dem Arm halten.

Nie.

Auf dem kleinen Dorffriedhof
an dem Samstagmorgen
damals,
in der Sonne
waren wir alle verstört und wütend,
ich blickte über die Hügel und Wälder,
in denen du so oft warst und nach
Pilzen und
Edelsteinen
suchtest
und nach
anderem.

Ich sah in den wolkigen Himmel.

Da wärst du jetzt also,
gemäß meinem
Kinderglauben.

Wenn ich dich dort träfe eines Tages,
was würden wir einander mitteilen?

Könnten wir über etwas reden?

Lieber hätte ich dich jetzt hier,
in dieser dunklen Sommernacht,
würde dich vom Autotelefon
anrufen,
und
deine angenehme, tiefe Stimme,
die so gut zu dem Bart passte,
würde nur kluge Dinge sagen.

Tröstliches, Vernünftiges, Väterliches.

Es geht nicht.





Waitress

She was new in this coffee place
in the
city centre.

She walked out
10 minutes ago.

I like the place, because there are not many Germans
here.
Many Arabs, Turks, Italians.
They' re all relaxed and seem to lack that
cruel desire for perfection
that surrounds Germans.
Them foreigners might be perfect in everything as well,
but it' s simply
not a big deal
to them.

And because of the
free WLAN.
Most of the cafes in the city
stopped that.
People worked too much and didn' t drink
enough.
You make more money, if groups of people
come in and chat and drink.

I like work.
I don' t like talking to others.
I´m not them.

This waitress
caught my attention.
She was too perfect for the place.
She seemed young, educated, a student maybe.
She looked great with her blond
ponytail,
full white blouse,
severe blue eyes.

What' s she doing here?
I thought.
She should be teaching or
working at the trade fair
or something
where more money is to be made
with looks and brains.

All of a sudden she interrupted me
eating my
sandwich
asked if she could bring me the bill.
Something happened at home, she had to go.
I was polite.
Said, I hoped it was' t anything dramatic.

She smiled as if caught lying and didn' t answer.

I gave her the regular 10% tip.

Then she hurried. I saw her outside in a
beige coat
running through the rain
towards
the traffic lights
at the crossroads.

She looked like she' ll never return
to this place.

Whereas I still sit here
and write
this.





Den Dom hinab

Mit meinem 2jährigen Sohn auf dem
höchsten Punkt des Kölner Doms.

Hinauf geht es 533 Stufen
durch ein wirklich
enges
Treppenhaus
im Südturm.

Die Steinstufen sind ausgetreten und
glatt.

Es ist eng.

Nur wenige, schmale Fenster,
Scharten
in historischem Gemäuer.

Es geht im Kreis einer endlos
scheinenden Wendeltreppe
hinan.

Auf der Außenseite der Wendeltreppe ist es sicherer zu gehen, da die Stufen breiter sind,
man kann sich an den Mauern stützen.

Die Innenseite ist gefährlich eng.

Kaum Trittfläche, keine Fläche sich zu halten,
nur die sog.
Massivspindel aus abgegriffenem
Sandstein,
um die herum sich die Stufen
immer weiter hoch drehen.

Es herrscht Gegenverkehr im Treppenturm.

Die von unten kommen, wollen außen gehen,
die von oben kommen, sollen sich innen halten und
ausweichen.

Mein Sohn ist alle 533 Stufen selbst hinauf gegangen.

Aber
hinunter sollte ich ihn nun
alle 533 Stufen
tragen.

Er wollte keine einzige gehen.

Ein Blick nach unten ins dunkle, gewundene Treppenhaus
genügte.

Kurzer Schreianfall über 110 Dezibel, gemessen mit einer iPhone-App und ich
trug ihn.

Wie ein etwas wackeliger Christophorus
hielt ich den blonden
Lockenknaben auf dem Arm und begab mich ins
dunkle
Treppenloch.

Ich konnte mit dem Kleinen nur außen gehen.
Innen hätte ich das Gleichgewicht nicht halten können.
Und ich wollte nicht mit dem Kind 533 Stufen
nach unten
stürzen.

Beinahe jeder, der mir von unten entgegen kam, beharrte eine kurze Zeit ärgerlich darauf, weiterhin außen zu gehen.
Ich sollte mit dem Kind nach innen ausweichen.

Was ich nicht tat.
Das Kind war mir wichtiger als der
Zorn verängstigter Touristen.

Deutsche kamen mir von unten entgegen und wollten, dass ich innen gehe.
Chinesen kamen mir von unten entgegen und wollten, dass ich innen gehe.
Italiener kamen mir von unten entgegen und wollten, dass ich innen gehe.
Amerikaner kamen mir von unten entgegen und wollten, dass ich innen gehe.
Spanier kamen mir von unten entgegen und wollten, dass ich innen gehe.
Holländer kamen mir von unten entgegen und wollten, dass ich innen gehe.
Briten kamen mir von unten entgegen und wollten, dass ich innen gehe.
Franzosen kamen mir von unten entgegen und wollten, dass ich innen gehe.
Die einzigen, die ohne auch nur inne zu halten oder einen Moment nachzudenken,
auswichen, um das offensichtlich in brenzliger Lage befindliche Kind zu schützen, waren
Türken.

Einmal war es eine Schulklasse, klischeehaft laut, prollig, krass, aber als sie mich mit dem Kind sahen,
- gleich nach innen.

Dann nochmal eine türkische Familie,
einfach nach innen, freundlicher Blick und
weiter.

Als wir draußen waren, schaute ich mit dem Kind andere Hand hinauf in das schwarze, verwitterte,
gotische Sandsteingeflecht unseres
Gotteshauses.

Ja, das passte.





Samstag, 11. Juli 2015

Kleiner blonder Gott

du tust, was du willst,
kennst keine Unterschiede.
Keine Türken, Italiener, Deutsche, Griechen,
Afrikaner.
Arm, reich, mächtig, hilflos -
alle sind gleich.

Und die Türken sind besonders nett
zu dir.

Im Kiosk heute. Zu dem Eis gab es eine Serviette.
Und als du "danke" gesagt hast, haben alle geklatscht und gelacht.

Du weißt, dass du tun kannst, was du willst und dass
das
eines Tages
endet.

Also kostest du es jetzt aus.

Kleiner blonder Gott,
warum geht das
Leben nicht immer einfach so weiter?

Zumindest für dich.





Donnerstag, 9. Juli 2015

2030

Der Westen ist am Ende.
Keine Kinder,
kein spirituelles System.
Lediglich
Egoismus,
Konsumismus.

Was zählt ist die Wirtschaft.

Bisher haben wir gelernt:
jegliche Ideologie, jeglicher Glaube
zerfällt vor den Fragen:
Wie viel Geld hast du?
Wie geht es dir?

Wenn die google-Visionen
Ray Kurzweils
wahr werden,
lernen wir:
man kann sehr viel länger am Leben bleiben als bislang gedacht.

Wenn man reich ist.

Das völlige Ende aller Systeme, Kirchen etc.

Eine neue Religion mit realen Führern,
die reales ewiges Leben nicht versprechen, sondern
verkaufen.

"Wenn die Münze im Kasten klingt..."

Wie viele Menschen müsste man umbringen, um an so viel Geld zu kommen?

Dieses Produkt lässt sich nur einführen, wenn die Masse an der Kette gehalten
wird.

An der kürzesten Kette aller Zeiten:
der Angst vorm Tod.





Mittwoch, 8. Juli 2015

Kalter Sommer

Das dichte Blattwerk
der Parkbäume
braust im kalten
Nachtwind.

Niemand zu sehen draußen.

Niemand zu hören.

Sommer, so gefällst du mir.





Ich werde

auf das Fahrrad steigen und
betrunken
eine Zigarette rauchen
während ich durch den
Regen
fahre.

Ich werde dies schreiben.

Mich meiner
Kontaktlinsen entledigen.

Zähne putzen.

Schlafen.

Neben dir.

Während draußen
der Regen
niedergeht.

Mehr kann ich heute nicht mehr
tun.





Dienstag, 7. Juli 2015

Forever

We were watching
that series
that everyone´ s watching
on this
planet.

You could´ t stand the cruelty.

You took my hand.

I felt the enormous power
of this hand.

I wondered where it comes from.

Your mother said,
before she died,
that there was a knight among your ancestors.
Although
her grandfather was a
pig farmer.

Knights though were trained to
kill
without mercy.

You were trained to
love
without
mercy.





Sonntag, 5. Juli 2015

Gewittersturm, vergangen

Als Kind
von ca. 5 Jahren
lebte ich auf in einem
Mehrfamilienhaus.

Es waren ältere Häuser aus der Nazizeit
für die Soldatenfamilien,
deren Väter in den beiden Kasernen dienten,
die etwa gleich weit entfernt der Siedlung
lagen.

Wir wohnten ziemlich weit oben.
Vierter Stock.

Im mörderisch heißen Sommer ´76
gab es beinahe jeden Abend
dramatische Gewitter
über dem Talkessel,
den man von unserem Balkon schauen konnte.

Meine Eltern machten die Balkontür auf,
ich schob zwei Sessel hinaus,
legte eine Decke über die Lehnen,
wie eine Zeltbahn,
und saß unter dieser Zeltbahn,
und zählte die Blitze.

Dabei aß ich Knäckebrote, auf die eine Quarkschicht
kam, und darauf war dann Marmelade.
Kühle Marmelade.

Wenn ich fertig war mit den Broten,
klammerte ich mich
wieder an das
Metallgeländer
und zählte.

Oft schlugen die Blitze direkt vor dem Haus
ein.

Meine Eltern, die drinnen standen,
lachten,
wenn ich eine neue Zahl
rief.





Samstag, 4. Juli 2015

My friend

I look into your eyes
and I see
an aging
psychopath.

I wonder if you can
manage to
feel
anything
these days.

Nobody
to care about.

Nobody to love.

Nothing to achieve
anymore.

I wonder what becomes of someone
who has the eyes of
Pablo Escobar
but not
his coke.

Soon you´ ll be murdering
someone.

It´ s not gonna be yourself.





Donnerstag, 2. Juli 2015

Personenschaden

Es war sehr heiß.
So heiß
wie schon seit
einem Jahrzehnt
nicht mehr.

Im ICE angenehme Kühle.
Die Klimaanlage funktionierte.
Jeder war darauf eingestellt,
hinter dunklen Scheiben,
mit kühlen Getränken,
eingenistet in digitalen Welten
der Hitze
eine Weile zu
entkommen.

In dem Augenblick, als ich mein Ticket beim Schaffner kaufte, hielt der
Zug.

Er hielt lange und es dauerte lange, bis eine Durchsage kam.

"Wegen eines Personenschadens im Gleis, fährt der Zug zurück nach Augsburg,
wo er aber nicht hält. Anschließend
fahren wir über Donauwörth bis nach Stuttgart.
Unsere Verspätung beträgt zu diesem Zeitpunkt 50 Minuten."

Bis Köln wurden es 190 Minuten Verspätung.

Ich hätte in der Zeit, die diese Reise durch halb Deutschland brauchte, mit dem Flugzeug in die
USA
reisen
können.

Alle fluchten.

Eine überforderte Mutter gab ihrer Schwester alle 20 Minuten
empört den aktuellen Stand der Verspätung durch.

Eine Geschäftsfrau, die zuvor beim Einsteigen auf die höfliche Frage einer älteren Dame, ob sie durchkönne, sehr genervt reagiert hatte,
brach ihre Geschäftsreise
ab.

Ein älterer Mann schüttelte immer wieder stumm den Kopf.

Kinder rannten im Gang auf und ab.

Der Zugbegleiter mit Kölner Akzent klang bei jeder neuerlichen
Durchsage
um wie viele Minuten sich die Verspätung sich erhöht habe,
verzweifelter und
verließ den Zug
in
Mannheim.

Alle waren genervt.

Alle gaben in ihren Telefonaten durch,
dass sich jemand vor den Zug geworfen hätte.
Jeder machte den Witz, dass sich die Person ja auch wirklich einen anderen Tag hätte aussuchen können.

Ich schaute nach draußen,
sah braun glänzende Pferde,
grüne Wiesen,
saubere Städtchen,
dichte Wälder,
Felder,
Maschinen,
kleine Fabriken.

Und dachte über den
Hinweis des Toten
nach,
dass es in dieser hübschen, funktionierenden Welt alles gibt.

Außer Mitleid.