Samstag, 2. Mai 2015

No bollocks!

Um mein Studium zu finanzieren, arbeitete ich bei der Post
Nachtschicht.
Güterwagen voller Pakete trafen nachts an der langen Rampe
ein, wir zogen erst die Rollwagen der Firma Cordes,
Cordesse
genannt, aus den Zügen, schoben sie zu einer im Boden eingelassenen Metallrutsche und
begannen dann damit, die nächste Stunden in
Eiseskälte und schneidendem Wind
die Päckchen und Pakete des gesamten Bundeslandes
nach unten zu werfen.
Es war unerbittliche Knochenarbeit.
Viele die da mitmachten, kamen aus den
Kohlengruben
und konnten
schuften wie Ochsen.

Ich hatte lange Haare, Stirnband, viele Worte aber
wenig Muskeln.
Außerdem war ich unbeliebt,
weil ich eine
Zukunft
hatte.

Mein einziger Kumpel hieß
Manuel,
war wie ich Anfang 20
und war der einzige der zu Schichtbeginn immerhin ein
"Hey" raus quetschte, wenn er mich sah.
Er hatte nicht einmal einen
Hauptschulabschluss aber einen guten Humor.
Um Mitternacht zogen wir aus einem Automaten je 5 Lange.
Zweieinhalb Liter Bier, um bis morgens durchzuhalten.

Auf jeder Ebene der Paketabfertigung dudelten Radiorecorder.
Für jemanden, der in einer Band spielte und wusste, wer z.B. Mudhoney waren, war es die Hölle.
Genesis, Madonna, Michael Jackson, Queen.
Höllisch glatter, verstörend dummer Bombast.
In Glitzerfolie verpackte
Neurosen.
Krank, selbstmitleidig, verlogen, geldgeil wie die Achtziger.

Dann kam Manuel mit einer Kassette an.
Er brüllte, die sei Nummer1 in den USA,
erfolgreicher als Michael Jackson! und legte das Nevermind-Album ein.

Ich hatte die CD schon länger und hörte sie rauf und runter,
in meiner Welt.

Ich wunderte mich, dass Manuel es riskierte, vom
Stumpfsinn der Anpassung abzuweichen.
Das würden die anderen nicht verstehen.
Aber immer mehr Arbeiter kamen und hörten das
donnernde Schlagzeug, die unglaublichen Riffs
und
den ungefilterten Zorn des von seiner Familie verstoßenen
Kurt Cobain.
Wir hörten drei oder vier Stücke.

So muss es gewesen sein, als sich in den Fünfzigern im Süden der USA Menschen um Radios versammelt haben, um
Elvis
zu hören.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen