Freitag, 1. Mai 2015

1. Mai

Wir lagen im Bett,
damals.

Im Zimmer zur Straße raus,
mitten in der Innenstadt.

Wir waren jung, müde, verkatert, nackt.

Es war bereits Mittag.
Aus der Ferne Blaskapellen.
Uns fiel ein: 1. Mai.

Abstumpfender
Lohnarbeit
gingen wir nicht nach und wollten das auch
zukünftig
nicht tun.

Und wenn wir es müssten,
wären wir sicher nicht Teil
dieser abstoßenden
Gewerkschafts-Ästhetik.

Das ging uns nichts an.

Die Kapellen kamen näher,
der Himmel riss auf und
warmes Frühjahrslicht fiel durch die breiten Lamellen
der Holzjalousien.

Eine Gruppe Blechbläser spielte direkt unter unserem Fenster
eine überirdisch schöne Melodie: einfach, sentimental,
voller Hoffnung und Freude,
strahlend.

Und in diesem seltsamen, nie wieder gehörten,
unglaublichen Moment perfekter Musik
verschmolz der draußen spazierende Glaube an die Kraft der
Menschlichkeit und Zusammengehörigkeit
mit unserer egoistischen, kleinen
Privatliebe.

Für einen kurzen, niemals vergessenen Augenblick schien es
menschenmöglich,
gemeinsam
alles zu erreichen.





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