Mittwoch, 29. April 2015

Asylant

In den Neunzigern
gab es schon einmal eine große
Welle
Asylsuchender.

Ich studierte und in den Semesterferien jobbte ich in meiner
Heimatstadt
im Hunsrück in einem Asylantenheim als
Betreuer.

Das Rote Kreuz hatte ein ehemaliges,
von den Nazis erbautes
Offizierskasino
für 250 Flüchtlinge
umgerüstet.
D.h. sie hatten Stockbetten rein gestellt
- und das wars.

Die Flüchtlinge kamen in Reisebussen.
Afrikaner, Iraner,
Kroaten, Serben, alle im gleichen Bus,
auf dem gleichen Gang, auf den gleichen Klos, in der gleichen Waschküche mit den beiden
permanent überfüllten
Waschmaschinen.

Die Kinder der
Roma schwärmten in das einzige Kaufhaus am Ort,
das kleinste Karstadt Deutschlands,
und klauten dort wie die
Raben.

Sie kamen dann immer mit
Kram beladen
zurück ins Heim gerannt,
die Polizei hinterher.
Aber am Eingang des Asylantenheims musste die Polizei stoppen.
Es gab ein Gesetz, das es der Polizei verbot, einfach so die Räume der
Asylanten
zu filzen.

Ein Iraner hatte mir seine Folternarben gezeigt, es waren die schlimmsten
Verletzungen,
die ich je gesehen habe. Mutwillige Verletzungen hinterlassen andere
Narben
als zufällige Verletzungen.

Ein Schwarzer namens Otto schrieb Songs mit mir.

In dieser Zeit war ich stolz, Deutscher zu sein.
Ich war Bürger des für diese
völlig verzweifelten,
rechtlosen
Menschen
besten Landes der Erde.

Später haben Nazikids aus dem Nachbarort
Feuer gelegt
in der Nacht, als ich
Wache
hatte.
Ich sah den Rauch im Ostflügel,
niemand war verletzt,
ich rief die Feuerwehr.
Die Polizei ermittelte, aber fand niemand.

Es war kein große Sache.
Die Presse brachte nichts, um die Stimmung nicht gegen die Flüchtlinge
aufzuheizen.

Die Bevölkerung spendete unglaubliche Mengen Kleidung.
Viel mehr als die Flüchtlinge hätten transportieren können.
Ein Keller, so groß wie eine Tiefgarage, voll mit Kleidern.

Bevor die Flüchtlinge hinein durften,
durften Mitarbeiter des Roten Kreuzes aus dem gesamten Landkreis rein,
auf Geheiß der Geschäftsstelle des
Roten Kreuzes.
Sie holten alles raus, was wertvoll war.
Lederjacken, Markenklamotten, Pelze, etc.

Da war er dann auch schon wieder vorüber,
mein kleiner patriotischer
Anfall.
Und ich fühlte mich wieder staatenlos.
Satt, sicher, einigermaßen gebildet, mit einem guten Pass, trotzdem:
staatenlos.





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