Montag, 10. Dezember 2018

In deinen Armen

gelten keine Regeln,
nur:
funkelnde Energie,
die auflädt,
reibt,
explodiert,
lockt,
steigt,
schmilzt.

In deinen Armen bin ich
wo ich nicht sein will -
bei mir.

Du sagst, du freust dich für
mich. Aber
freust du dich auch für dich?

In deinen Armen ist es ein langer Weg
in deine Arme.




Wenn du schläfst

Wenn du schläfst, bist du in weiter Ferne.

Deine Augen fester geschlossen
als der Himmel
an den du nicht glaubst.

Tiefe, dunkle, lockende Wälder,
russische Weite, freundliche Wolken.

Eine Hütte, der Vater winkt, die Mutter im weißen Kleid
dichtet.

Der Hund springt durch das mannshohe Gras.

Es gibt einfache Mahlzeiten und du singst Lieder
vom unvergänglichen Leben,
wie nur kleine Mädchen sie singen.

Wenn du schläfst, bist du in weiter Ferne

angekommen.




Samstag, 13. Oktober 2018

Hamburg

Es gibt dieses Hamburg,
dieses Thornton-Wilder-Hamburg.

Milde Strenge, nachsichtige Klugheit, Optimismus,
dass wir in bürgerlicher Gemeinschaft ein gutes Leben führen werden.

Blauer Himmel, Musik, an einem Kiosk tanzen Menschen
bedacht, nicht allzu ausgelassen zu wirken.

Der Weg vom Dammtor-Bahnhof Richtung Alster.

Ein japanischer Garten mitten in der Stadt.

Sorgfältig weiß gestrichene Gründerzeitbauten,
ich gehe in eine Galerie, spreche über einen Künstler,  überrasche mich und die Galeristin
mit Offenheit.

Ich dachte mal, dies ist der Ort, an den ich gehöre.

Eines Tages würde ich wohnen in diesem Quadratkilometer heiter
rationaler Architektur aus einem Geist, der nie vergeht.

Es wird dunkel, die ruhigen, kleinen Restaurants leeren sich, die Schar der schweigsam
mahnenden Eltern und ihre Kinder verlässt Planten und Boomen,
bevor sich der überraschend heiße Oktobertag völlig dem Ende zuneigt.

Ich gehe in mein Hotel, schaue aus dem 11. Stock auf den Sonnenuntergang über
dem heiteren Grün und die nach Hause eilenden Menschen.

Niemand wohnt hier.

Ich bin so allein wie damals.

Da war ich 20 und hatte eine Hoffnung.

"Da ist ein Land der Lebenden und ein Land der Toten, und die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe - das einzig Bleibende, der einzige Sinn."



Sonntag, 23. September 2018

Schmerz

Nahe der Ohnmacht,
schwitzend,
absolut alleingelassen
rase ich durch die Stadt.

Mein Schädel droht zu platzen.

Meine Sicht verschwimmt, Autos rasen vor mir, neben mir, über mir.

Ich hab' eine Stunde.
Werde ich es zum Zahnarzt schaffen, um die opiumhaltigen Schmerzstiller zu bekommen?
Werde ich meinem Kleinen das Fahrrad rechtzeitig bringen,
damit er zum Kindergeburtstag kann?
Werde ich rechtzeitig die neuen Werbespots geschrieben haben, auf die
10 für mein finanzielles Überleben wichtige Menschen warten, in diesem Augenblick, in
500 km Entfernung, alle abhängig von dem, was mir gleich einfällt,
wenn ich diesen höllischen Schmerz
abgestellt habe?

"Diesen höllischen Schmerz abstellen", denke
ich.

Abstellen.



Kunstgeschichte

"Ich bin jetzt Teil der Kunstgeschichte",
sagst du und schaust mich an aus deinen
tiefblauen, tieftraurigen Augen und trinkst einen Schluck
Kräutertee.

Die Haare weiß, sehr kurz,
am Hinterkopf bereits ausgefallen.
Wie bei deinem Vater, der dich,
als du noch schwarzes Haar hattest,
das du lang wachsen ließt,
mit hartem Militärgriff im Nacken packte und übers Klo
zwang,
um mit einer Haushaltsschere
deine Mähne zu kürzen, während Du weintest und fluchtest und deine Mutter
irgendwo im Hintergrund
hysterisch schrie,
was sie ohnehin meistens
und meistens
ohne besonderen Grund
tat.

Dein Sohn, jetzt 16, kann kaum schreiben und liest nicht, sagst du.
Er floh aus dem Internat, nach nur
2 Tagen.

Deine geschiedene Frau, eine blutsaugende, psychotische, anmutige,
ungleich talentiertere Person als du,
hat ihre Kunst
aufgegeben.

Deine Fotos zeigen meist schwarz weiße Ansichten von
zersiedelten Gegenden, Häusern, in denen
sich solche Geschichten nun mal
abspielen.

Aber Du bist nicht mehr Teil dieser,
ihrer,
seiner,
meiner-
ja nicht einmal
-deiner Lebensgeschichte.

Du bist sicher.

Du bist Kunstgeschichte.




Fantasy Land

Dein ernster Blick
unter Blondschopf
in der
Warteschlange.

Ohne Angst
mit Skepsis
und manchmal Freude
gehst du allem entgegen,
was dich interessiert,
während du alles andere
mit unbeugsamem Willen
und letztgültiger Verachtung
meidest.

Wenn es sein muss, auch
regelmäßige Mahlzeiten.

Ich möchte sehr lange leben, um deine Reise
mitzuerleben, Sohn.

It' ll be a blast!





Montag, 7. Mai 2018

Pittura metafisica

Blauer, ausdrucksloser Himmel ohne Tiefe.

Scharfgezeichnete Schatten auf
der klassizistischen Fassade
des Hotelneubaus,
eingerüstet bis in den Himmel.

Keine Bauarbeiter.

Keine Maschinen.

Stille.

Leuchtender Sandstein. Blauer Himmel.

Stille.

Dieser Bildschirm.

Tief im Innern des Bürogebäudes
das Geräusch einer schließenden Aufzugtür.

Gedämpfte Schritte.

Zukunft.

Mit mir,
ohne mich.




Sonntag, 6. Mai 2018

The night

I walked into the night.

A long and lonely walk into the
dark
all by myself.

Curious,
scared,
sad,
yet
determined
I approached
some kinda
final stage.

Expecting no one to be by my side.
No one to be next to me
in the dark.

And then I heard your voice
like silver bells
right next to me,
you looked at me and you were
there.
With your questioning  smile and your boyish blond hair.

The only person who' s there in my final hour:
my beloved son.




Mittwoch, 2. Mai 2018

The Damned

We played soccer.

The Captain' s son and I.

I kicked the ball right into his stomach.

He cried.

I felt guilty.

Poor kid, he was only 10.

Later the Captain left his kids and wife.

That hurt probably

even more.

Life is endlessly cruel,

isn' t it?




Müdigkeit

frisst sich durch die Haut meines
vom vielen Kaffee
zuckenden Gesichts.

Auch im Zustand ermatteter Gleichgültigkeit
kann ich Euch jederzeit
durchschauen.

Dann eigentlich
sogar
noch besser.

Neue Allianzen.

Geheime Treffen.

Lange Telefonate.

Konsequente Strategien.



Macht mal was anders.


Fordert mich heraus!




Frühling 2018

Einer meiner Freunde hat jetzt einen Hollywood-Agenten.

Seine Ex-Freundin einen 2jährigen Jungen mit Adhs, beide warten
darauf,
dass der Vater aus der Psychiatrie kommt.
Trotzdem verdienen sie gut und machen, 
was sie immer schon machen 
wollten.

Meine beiden Kinder sind stark und 
wachsen 
und verlieren zunehmend den Respekt vor mir, 
weil sie spüren, dass
ich irgendwie nicht schaffe, was ich schaffen 
wollte.



Donnerstag, 8. März 2018

Den Todestag

vergessen.

Vor ein paar Tagen.

Mein Vater...

Seine Muskeln, sein Wissen, seine Wärme... vergangen.

Wie auch die Erwartung, dass ich würde
wie er.



Welchen Ort

auf diesem Planeten würdest du sehen wollen,
wenn du wüsstest, dass du in einigen Tagen erblindest?

Keinen,
sie würde nur in ihr altes Viertel gehen und
nach den Menschen sehen, die sie dort
zurückgelassen hat.

Aber es muss doch auch einen Ort geben?

Es sind nicht die Orte, es sind die Menschen.

Und plötzlich kam ich mir alt vor.

Und unbelehrbar jung.

Und dumm.




Sein Traum

war dieses Haus im gehobenen Kleinbürgerviertel,
wo die Kreativen wohnen, mit den Volvos und
Wohnmobilen und den kleinen Werbe- und Grafikagenturen.
"Bevor ich dieses Haus verkaufe sterbe ich, egal wie viel Druck die Bank macht!"

Und nun, vor einigen Tagen
baumelte er am Strick, den er vorher um den
sorgfältig restaurierten
Querbalken
schlug, der
durch die offene Wohnküche führt,
und die oberen Geschosse trägt, wo die
Kinderzimmer
sind.

Seine Ex fand ihn morgens.

Vielleicht ahnte sie all das bereits,
als sie damals mit den Kindern fortzog
ins Villenviertel vor der Stadt.




Schnell, schnell

du fühlst etwas!
Schreib es auf!
Lass es leben, bevor es hinabsinkt in den tödlichen Grund des
Alltags.