Sonntag, 30. August 2015

Der Flüchtling in meinem Garten

Draußen,
unten,
zwei Stockwerke
tiefer,
ist ein großer
Garten,
den alle im Haus
nutzen.

Aber seit ein paar Tagen betritt ihn niemand mehr.

Ein Flüchtling
liegt
im Garten.

Tagsüber liegt dieser
schmale, junge Mann afrikanischen Aussehens
auf einer Pappkartonunterlage und
rührt sich
nicht.

Erst dachte ich, er sei
tot.

Dann ging ich runter, ging näher ran und sah:
er atmet.

Nachts steht er auf und sammelt Flaschen.

Das haben mehrere im Haus
gesehen.

Ich dachte nicht weiter über ihn nach.

Er wird sich hoch kämpfen, dachte ich.

Wenn auch vielleicht nicht in
die großzügigen
Altbauwohnungen
dieses Hauses.

Vielleicht aber auch bis zu einem Eigenheim, wie ich es nie besitzen werde.

Dann war ich zu Gast bei einer guten Freundin.

Sie hatte gekocht und ihr Mann hatte einen guten Wein aufgemacht.

Es gab Dorade.

Das Thema beim Essen:
Flüchtlinge.

Der Mann wetterte über die Nazis im Osten.

Er als alter SPD Mann könne er nicht verstehen, dass man nichts gegen die Nazis
in Dunkeldeutschland machen könne.
Er würde sie alle deportieren nach Mecklenburg-Vorpommern
und einen Zaun drum herum ziehen.
Bären, Wölfe und gefährliche Raubtiere aller Art würden den Zaun bewachen und sich so
ungestört
vermehren können.
Also die Tiere - nicht die Menschen!

Lachen.

Und dann sagte seine Frau, sie war früher bei der "konkret":
das glaubst du ja nicht wirklich.
Doch, doch!
Wieder Lachen.
Ich denke, er würde nicht persönlich helfen, Lager zu errichten und Menschen zu deportieren,
aber wenn Politiker auf die Idee kämen,
die Gesetzte dahin gehend zu ändern,
dass so etwas möglich würde:
er würde dafür stimmen.

Pack.

Meine Freundin, eine Literaturagentin,
gab kleinlaut zu, dass sie, obwohl sie ein Haus von vierhundert Quadratmetern
zu zweit
bewohnt,
keine Flüchtlinge aufnehmen würde.

Es fehle ihr die Größe dafür.

Ich grübelte und sagte schließlich:
ich würde einen aufnehmen.

Einen Afrikaner.

Meine Kinder könnte eine Fremdsprache lernen,
ihren Horizont erweitern.

Ich würds machen-
hätte ich ein Haus.

Dann erzählte ich von dem Flüchtling, der tagsüber immer reglos im
Rasen
liegt.

Meine Freundin schaute mich an und konnte
nicht glauben, dass ich ihm nicht wenigstens
Geld oder Essen gegeben hatte.

Sie hatte Recht.

Bald darauf verabschiedete ich mich
und ging
heim.

Ich suchte noch in der Nacht nach dem Flüchtling.

Er war weg.

Auch am nächsten Morgen tauchte er nicht mehr auf.

Hoffentlich
kümmert sich jemand um ihn.

Ein besserer und klügerer Mensch
als ich
es bin.



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