Dienstag, 1. Dezember 2015

Die Last der Vergeblichkeit

Ich war 10, vielleicht 11 Jahre alt.

Ein unglückliches Kind mit einer dicken Brille,
einem löchrigen Topfhaarschnitt und einem hässlichen Parka
von meinem reichen Cousin aus Düsseldorf,
dessen abgetragene Kleider
einen Großteil meiner 
von anderen Kindern verlachten
Garderobe ausmachten.

Ich saß stumm hinten im Auto und Du,
Mutter,
lenktest den Wagen durch den Novemberregen.
Die steilen Kurven hinauf zur Siedlung 
direkt neben der düsteren 
Kaserne aus der 
Hitlerzeit.

Ich kannte die Strecke so gut, noch heute könnte ich 
jeden Meter
beschreiben.

Die Fläche aus braun-gelbem, schmutzigem Laub, die den Hang 
hinauf wucherte
neben dem grob geteerten Bürgersteig,
der schmale Asphaltweg, der am Hang entlang in die
Kleinstadt 
führt.
Die Peitschenleuchten mit ihrem militärischen, diffus-orangen Lichtkegeln.
Die nassen, schwarzen Gerippe der
verkrüppelten Bäume
in den Haarnadelkurven.

Seit Tagen war es diesig und 
dunkel.

Du, Mutter, in Gedanken Lichtjahre entfernt, 
unglücklich,
abwesend,
kalt.

In dem kleinen Auto der Geruch von Benzin,
billigem Plastik und 
Schimmel.

Stärkerer Regen schlug an die Frontscheibe, die sofort beschlug.

Du fuhrst auch noch durch die nächste Kurve,
ohne den Scheibenwischer
eingeschaltet zu haben.

An jenem Novembernachmittag gab es, 
wie später an 
vielen weiteren Nachmittagen,
wenig Hoffnung.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen