Montag, 4. Mai 2015

Sommer im Keller

Im Keller unseres
mittlerweile verkauften
Einfamilienhauses
lagerten diese rätselhaften Kartons,
mit Paketband verschnürt.

An heißen Sommertagen war ich gern dort
unten.

Ich war zehn, sägte an Vaters Werkbank Schiffe mit der Laubsäge aus.

Und irgendwann öffnete ich die Kartons.
Es waren alte Modezeitschriften meiner Mutter.

Für Sie
Brigittte
Madame

Ich blätterte in den Zeitschriften und sah die vielen schönen Frauen.
Diejenigen mit den schwarzen Haare und den blauen Augen
sahen aus wie
meine Mutter.

Die Frauen wirkten glücklich, strahlend, zufrieden.
Ich mochte diese Frauen.

Schnittmusterbögen fielen aus den Zeitschriften.
Die hatte ich früher schon gesehen, wenn meine Mutter nähte.
Meine Mutter konnte nach solchen Anleitungen Stoffe zuschneiden.
Sie war nicht nur einmal schön gewesen, sondern auch ein
Genie.

Das war schon länger her.
Meine Mutter hatte sich verändert.
Sie schrie viel, ließ sich gehen, nahm zu, schneiderte nicht mehr.
Im Gegensatz zu den Frauen in den
Zeitungen war sie
unglücklich.

Immer wieder ging ich in den Keller und schaute mir die schönen Frauen an,
das schöne Leben, das sie hatten.
An Stränden, in großen Häusern, in Gärten.
Die aus den Werbungen, z.B. für Seife-Atlantik gefielen mir am besten, sie waren oft
nackt, einfach so.

Ich war traurig, dass meine Mutter, sich nicht mehr für die Zeitschriften interessierte.
Ich fragte sie, warum sie die aufgehoben hatte.
Sie sagte, das wisse sie selbst nicht mehr
und schmiss sie
weg.

Meine Mutter hatte ich zerstört,
nun warteten die Frauen
aus den Zeitschriften.






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